08. Juni 2020 — Medienmitteilung

WWF fordert Schutz und Einsatz für das Mittelmeer

Die Mittelmeerregion ist von der COVID-19-Pandemie schwer heimgesucht worden und schaut einer schwierigen Tourismussaison 2020 entgegen. Der WWF ruft zum heutigen (8.6.) Weltmeerestag die 22 Küstenländer und -gebiete auf, die Übernutzung des Meeres anzugehen. Das Mittelmeer bietet wichtige natürliche Ressourcen, die den Menschen ökonomische Zukunft und Stabilität sichern.

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Strasse von Gibraltar

Die WWF-Initiative «A Blue Recovery for the Mediterranean» untersuchte den ökologischen und wirtschaftlichen Zustand der Mittelmeerregion im Jahr 2020 [1] und gibt eine Reihe von Empfehlungen ab, die es braucht, um bis 2030 ein gesundes Meeresökosystem zu erhalten, Arbeitsplätze zu generieren und bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Laut Schätzungen des WWF [2] liefert das Mittelmeer ökologische Dienstleistungen im Wert von 450 Milliarden US-Dollar pro Jahr, was mehr als der Hälfte des EU-Wiederaufbaufonds pro Jahr entspricht [3]. Diese Dienstleitungen kann das Mittelmeer aber nur erbringen, wenn wirkungsvolle Massnahmen zu seinem Schutz getroffen und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklungen länderübergreifend umgesetzt werden.

«Ökologische Katastrophen, Klimaerwärmung, Flüchtlingskrisen, Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt die Corona-Krise: Die Mittelmeerregion befindet sich in einem Ausnahmezustand», sagt Giuseppe Di Carlo, Direktor der WWF-Mittelmeer-Initiative. «Das Mittemeer braucht einen wirksamen Schutz und eine nachhaltige Planung und Verwaltung aller wichtigen wirtschaftlichen Meeresaktivitäten», ergänzt Alice Eymard-Duvernay, Verantwortliche Meer beim WWF Schweiz.

Das Mittelmeer ist für 22 Küstenländer und -gebiete der einzige und wichtigste Schatz von natürlichen Ressourcen. Die Einstellung maritimer Aktivitäten, verursacht durch COVID-19, hat gezeigt, dass sich Fischbestände und Meereslebensräume schnell erholen können, wenn der Druck auf sie verringert wird. Sollen künftige Generationen ebenfalls vom Mittelmeer profitieren, müssen wir ihm Erholung geben. Derzeit sind gerade einmal 1,27 Prozent des Mittelmeers wirksam geschützt. Laut führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern müssten es aber 30 Prozent sein. Meeresschutzgebiete sind von entscheidender Bedeutung für die Erholung von Fischbeständen, die Fischerei, den Tourismus und um das Klima zu regulieren [4]. Ein übernutztes Mittelmeer führt unweigerlich zu einem Rückgang der grossen maritimen Wirtschaftssektoren. Es braucht eine nachhaltige Planung und Verwaltung dieser Sektoren (Seeverkehr, Aquakultur, Freizeitschifffahrt, Erholung, kleine Fischerei, Kreuzfahrten und Offshore-Windparks), von denen viele Einkommen abhängen. Jahrelange Überfischung hat das Mittelmeer zum meistbewirtschafteten Meer der Welt gemacht. Fischereien sind zusammengebrochen, Flotten geschrumpft, kleine Fischer sind von ihren Arbeitsplätzen und junge Menschen aus den Küstengemeinden verdrängt worden.

In den letzten 20 Jahren hat sich die Menge an Aquakulturen im Mittelmeer vervierfacht und macht heute mehr als die Hälfte der gesamten Fischereiproduktion aus. Der Seeverkehr wird voraussichtlich um 4 Prozent pro Jahr wachsen. Mehr als die Hälfte der Superyachten der Welt pflügt jeden Sommer durch die Gewässer des Mittelmeers und bedroht mit ihren Ankern den Meeresboden in Meeresschutzgebieten. «Ein ‘Weiter wie bisher’ lässt uns in einer konstanten Krisensituation verharren», sagt Di Carlo. «Es braucht jetzt ein ernsthaftes multinationales und multisektorales Engagement für eine nachhaltige Zukunft. Der Entscheid liegt bei uns.»

Die WWF Blue Recovery Website ist hier verfügbar: https://www.wwfmmi.org/medtrends/

Hintergrund und Hinweise für Autoren:

[1] Wirtschaftskarten und Analysen wurden im Rahmen des EU-Projekts PHAROS4MPAs entwickelt, an dem der WWF in den Jahren 2019-2020 teilnahm. Untersucht wurde, wie sich der Seeverkehr, Offshore-Windparks, Aquakultur, Kreuzfahrten, Kleinfischerei, Sportfischerei und Freizeitboote auf die Meeresschutzgebiete im Mittelmeer auswirken. Es wurden strategische Ansätze zur Vermeidung oder Milderung ihrer Auswirkungen vorgeschlagen. Weitere Informationen: https://www.wwfmmi.org/what_we_do/blue_economy/pharos4mpas

[2] 2017 legte der WWF einen Bericht «Reviving the Economy of the Mediterranean Sea» vor, in dem er errechnete, dass ozeanbezogene Aktivitäten im Mittelmeer einen jährlichen wirtschaftlichen Wert von 430 Milliarden Franken generieren, was sie zur fünftgrössten Wirtschaft in der Region nach den nationalen BIP von Frankreich, Italien, Spanien und der Türkei macht. Dieser Wert entspricht etwa 20 Prozent des jährlichen Bruttomeeresprodukt, in einem Gebiet, das nur 1 Prozent der weltweiten Meeresfläche ausmacht. Darüber hinaus werden die Wirtschaftsgüter des Mittelmeers bei einer konservativen Schätzung mit 5,3 Billionen Franken bewertet. http://awsassets.wwfffr.panda.org/downloads/170927_rapport_reviving_mediterranean_sea_economy.pdf

[3] Die EU-Kommission hat einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Mrd. € (809 Mrd. Franken) vorgeschlagen.

[4] 80% der bewerteten Fischbestände sind im Mittelmeer überfischt. In den letzten 50 Jahren hat das Mittelmeer mehr als 40% seiner Meeressäuger und 34% seiner Posidonia-Seegraswiesen verloren, die sowohl als Lebensraum für Jungfische als auch als CO2-Speicher wichtig sind. Jedes Jahr gelangen 0,57 Millionen Tonnen Plastik ins Mittelmeer. Das entspricht einer Menge von 33’800 Plastikflaschen, die jede Minute ins Meer gekippt werden. https://www.wwfmmi.org/newsroom/latest_news/?uNewsID=356339

Kontakt:

Corina Gyssler, Kommunikationsbeauftragte WWF Schweiz, 044 297 22 54, corina.gyssler@wwf.ch