13. September 2023 — Medienmitteilung

WWF sieht Versicherungen in der Verantwortung

Der WWF Schweiz lanciert einen Bericht in Zusammenarbeit mit Deloitte Schweiz, welcher erstmals Einblick in die Auswirkungen des «Underwriting»-Geschäfts ­von Versicherungen auf den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust gibt. Der Bericht zeigt auch, was die Versicherungen dagegen machen können.

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insurance report

Der Bericht «Underwriting our planet: how insurers can help address the crises in climate and biodiversity» hält fest, dass viele wirtschaftliche Aktivitäten, die von Versicherungsunternehmen ermöglicht werden, den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust verstärken – anstatt dieser doppelten Krise entgegenzuwirken. Obwohl einige Versicherungsunternehmen, darunter auch grosse Schweizer Rück-/Versicherer wie Zurich, Helvetia oder Swiss Re, begonnen haben, Umweltaspekte in ihre Geschäftsstrategien einzubeziehen, reichen die ergriffenen Massnahmen nicht aus. Während das Bewusstsein für Risiken durch Extremwetter zunimmt, befasst sich der Versicherungssektor bisher kaum mit der Frage, wie das Versicherungsgeschäft zu diesen Risiken beiträgt.

Zitat: Thomas Vellacott, CEO WWF Schweiz:
«Dieser Sommer war geprägt von verheerenden Hitzewellen und Waldbränden in Südeuropa, Nordafrika, Asien und Nordamerika. Versicherungsunternehmen und ihre Kunden sind stark von diesen Ereignissen betroffen, da sie zu höheren Auszahlungen führen und ganze Regionen nicht mehr versicherbar sind. Es ist höchste Zeit, dass Versicherer diese Risiken angehen und ihr Underwriting-Geschäft mit den globalen Klima- und Biodiversitätszielen in Einklang bringen.»

Zitat: Marcel Meyer, Leiter Nachhaltigkeitsdienstleistungen, Deloitte Schweiz:
«Die Versicherungsbranche kann bei den Bemühungen für eine nachhaltige Zukunft eine führende Rolle spielen. Mit ihren Verbindungen in allen Branchen haben Versicherungsunternehmen die Möglichkeit, Anreize für nachhaltige Geschäftspraktiken zu setzen und verantwortungsvolles Verhalten ihrer Kundschaft zu fördern. Durch den Einbezug von Umweltüberlegungen in ihr Geschäft können Versicherer zur Erhaltung von Biodiversität und zur Milderung des Klimawandels beitragen und helfen, eine widerstandsfähigere und nachhaltigere Zukunft aufzubauen.»

2022 beliefen sich die weltweiten wirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen auf etwa 275 Milliarden Dollar, wovon nur 125 Milliarden Dollar versichert waren. Dabei sind die nichtmonetären Schäden für Mensch und Natur gar nicht berücksichtigt. Als Reaktion auf die zu erwartenden steigenden Schäden erhöhen Versicherungsunternehmen ihre Prämien, schränken den Versicherungsschutz ein oder ziehen sich ganz aus dem Markt zurück. In Florida beispielsweise geht man davon aus, dass sich die Kosten für Hochwasserversicherungen in diesem Jahr für Tausende von Hausbesitzern in überschwemmungs­gefährdeten Gebieten verdoppeln oder gar verdreifachen werden. In Kalifornien haben nach mehreren Jahren mit verheerenden Waldbränden mindestens drei grosse Versicherer aufgehört, neue Policen für Hausbesitzer anzubieten.

Grosses Potenzial für eine nachhaltige Wirtschaft
Mit einem Bruttoprämienvolumen von 6,86 Billionen Dollar (2021) sind Versicherungsunternehmen ein wirtschaftliches Schwergewicht und besitzen ein enormes Potenzial, durch ihr Versicherungsgeschäft die negativen Auswirkungen auf den Klimawandel und den Naturverlust zu verringern und eine grüne, schnelle und faire Transition der Wirtschaft zu beschleunigen. Angesichts der drohenden Nichtversicherbarkeit sollte es im Eigeninteresse von Versicherungsunternehmen liegen, Massnahmen zu ergreifen. Der WWF empfiehlt den Versicherungsunternehmen, die folgenden Massnahmen umzusetzen:

  • Verpflichtung, bis spätestens 2050 Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu erreichen, und Ausrichtung des Versicherungsgeschäfts an den globalen Biodiversitätszielen.
  • Veröffentlichung und Umsetzung entsprechender Transitionspläne.
  • Zusammenarbeit mit Kunden und Versicherungsmaklern, damit diese sich an den globalen Klima- und Biodiversitätszielen ausrichten.
  • Förderung umweltfreundlicher Entscheidungen der Kunden durch die Gestaltung von Versicherungsprodukten und nachhaltigen Praktiken im Schadenmanagement. So können Versicherungsunternehmen beispielsweise neue Produkte für erneuerbare Energien oder Recyclingprojekte und naturbasierte Lösungen anbieten. Zudem können sie im Schadenmanagement im Sinne der Kreislaufwirtschaft etwa darauf hinarbeiten, dass beschädigte Güter vermehrt repariert anstatt ersetzt werden.
  • Überprüfung der Geschäftsbedingungen von Umwelthaftpflichtversicherungen, um Anreize zu fahrlässigem Verhalten mit negativen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt zu beseitigen ("moralisches Risiko"). Einfordern, dass Kunden die höchsten Umweltstandards erfüllen.
  • Ausschluss der umweltschädlichsten Wirtschaftstätigkeiten und Sektoren von der Versicherungsdeckung, z. B. Projekte zum Angebotsausbau fossiler Brennstoffe, Tiefseebergbau, Abholzung oder illegale, unregulierte und nicht gemeldete Fischerei (IUU).
  • Kommunikation eines klaren Ausstiegplans aus allen Geschäften im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen im Einklang mit dem Netto-Null-Emissionsszenario der Internationalen Energieagentur bis 2050.

Schweizer Bevölkerung ist an nachhaltigen Versicherungsprodukten interessiert
Gemäss gfs-Umfrage wollten 2022 über 55% Schweizer:innen, dass die von ihrer Versicherung angebotenen Produkte auch Auflagen zum Umweltschutz erfüllen. Dieses Ergebnis kontrastiert mit dem Befund, dass nur 25% der gleichen Befragten angeben, jemals ein nachhaltiges Angebot von ihrer Versicherung erhalten zu haben. Dass das Thema «Nachhaltigkeit» bisher noch zu keiner Differenzierung auf dem Schweizer Versicherungsmarkt für Privatkund:innen geführt hat, bestätigt auch eine Umfrage, die von der ZHAW in Zusammenarbeit mit EY und BearingPoint durchgeführt wurde. Die Studie zeigt, dass mehr als 40% der Befragten nicht beurteilen können, ob sich ihre Versicherung im Bereich Nachhaltigkeit engagiert.

WWF-Bericht “Underwriting our planet: how insurers can help address the crises in climate and biodiversity”:
http://wwf.panda.org/?9548441/WWF-urges-insurance-companies-to-take-responsibility-for-their-underwriting-business

Ein öffentliches Webinar findet am 26. September statt. Zur Anmeldung: https://wwf.zoom.us/webinar/register/WN_hwwk7Jy0QFOVEJcXjATjtA

Download Media-Kit mit Bildern, Grafiken und Zusammenfassung: https://we.tl/t-02S3DQr3IY

Kontakt: Christoph Kinsperger, Senior Communication Advisor, WWF Schweiz, christoph.kinsperger@wwf.ch, +41 (0)78 749 88 14