15. März 2023 — Medienmitteilung

Synthesebericht des UN-Weltklimarats: Zeitfenster schliesst sich

  • Der neue Synthesebericht des UN-Weltklimarats IPPC wird eine alarmierende Ambitionslücke aufzeigen: Bislang ist kein Land auf einem Weg, der das 1,5-Grad-Ziel erreichbar macht.
  • Viele bereits aufgetretene Auswirkungen der Klimakrise sind schlimmer als im letzten IPCC-Synthesebericht von 2014 vorhergesagt.
  • Die Umwelt muss besser geschützt werden, denn sie hilft, die Klimakrise zu lösen: Nach Berechnungen des Weltklimarats hat sie in den letzten zehn Jahren 54 Prozent der vom Menschen verursachten CO2-Emissionen absorbiert.
  • Der WWF fordert, dass die Erkenntnisse aus dem Synthesebericht des UN-Weltklimarats die Regierungen dazu bewegen werden, schneller Emissionen zu reduzieren.

Zitate:

Thomas Häusler, Klimaexperte des WWF Schweiz

«Uns läuft die Zeit davon: Noch ist kein Land auf dem Weg zu einem 1,5-Grad-Pfad. Wir müssen deutlich schneller damit aufhören, Benzin, Diesel, Erdgas und Kohle zu verbrennen. Nur so lässt sich die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen und die schlimmsten Gefahren der Klimakrise abwenden.»

«Mit der Abstimmung am 18. Juni zum Klimaschutz-Gesetz haben wir die Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen und die Schweiz mit mehr Tempo auf den richtigen Kurs zu bringen.»

Dr. Stephanie Roe, leitende Wissenschaftlerin des WWF im Bereich Klima und Energie und Hauptautorin des Berichts der IPCC-Arbeitsgruppe III über die Abschwächung (Mitigation) des Klimawandels

«Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass wir noch nicht genug tun, um auf diese Krise zu reagieren. Mit den derzeitigen Emissionen, die immer noch auf dem höchsten Stand in der Geschichte der Menschheit sind, sind wir weit vom Kurs abgekommen, und das Zeitfenster, die Erwärmung des Planeten auf 1,5 Grad zu begrenzen, schliesst sich rasch.»

Am Montag, 13. März, tritt der UN-Weltklimarat (IPCC) in Interlaken zusammen, um in einer einwöchigen Konferenz den derzeitigen Kenntnisstand der Klimaforschung zusammenzufassen. Führende Wissenschaftler und Regierungen zeigen auf, wie verheerend die Situation bereits ist, welche Risiken mit der Klimakrise verbunden sind, aber auch, welche Lösungen und Ansatzpunkte es gibt.

Zeile für Zeile werden Regierungsvertreter die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger des Sechsten Sachstandsberichts (AR6) des IPCC (SFP, Summary for Policy Makers) durchgehen und diskutieren. Nach der Genehmigung wird der «Climate Change 2023: Synthesis Report» am Montag, den 20. März 2023, veröffentlicht.

Der Synthesebericht fasst die Erkenntnisse von sechs Teil- und Sonderberichten – insgesamt 10.000 Seiten – zusammen, die im Rahmen des AR6 in den letzten Jahren erarbeitet wurden, Tausende von Studien zum Klima wurden dafür ausgewertet. Damit liefert der Synthesebericht die aktuell umfassendste Übersicht über die Klimaerwärmung, über die dahinterstehenden Triebkräfte, die Auswirkungen und die Lösungen, um die Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren und die Welt an die Folgen der Erwärmung anzupassen.

Die Ergebnisse der bereits veröffentlichten Teilberichte, die in diesen Synthesebericht einfliessen werden, lassen den Schluss zu, dass sich unser Klima im «roten Bereich» befindet, da die CO2-Konzentration in der Atmosphäre den höchsten Stand seit zwei Millionen Jahren erreicht hat und der Meeresspiegel so schnell ansteigt wie seit 3000 Jahren nicht mehr. Die Berichte zeigen auch, dass die derzeitige Erwärmung um 1,1 Grad Celsius bereits gefährliche Störungen für die Natur und das menschliche Wohlergehen auf der ganzen Welt verursacht hat, wobei viele Klimaauswirkungen schlimmer sind als im letzten IPCC-Synthesebericht von 2014 vorhergesagt.

Der Synthesebericht wird auch eine alarmierende Ambitionslücke aufzeigen. Die bereits bekannten Ergebnisse der Arbeitsgruppe III zeigen, dass die Treibhausgasemissionen trotz einiger positiver politischer Initiativen weiter gestiegen sind – auf den höchsten Stand in der Geschichte der Menschheit – und dass wir weit davon entfernt sind, den weiteren Anstieg genügend rasch zu bremsen. Die derzeitigen politischen und finanziellen Zusagen bis 2030 machen es unmöglich, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Der IPCC-Bericht wird den Ländern den genauen politischen Weg zu besserem Klimaschutz nicht vorschreiben. Der WWF ist aber überzeugt, dass er die wissenschaftliche Grundlage für wirksame Klimamassnahmen verbessert und dass er die Regierungen zu den dringend nötigen Massnahmen anspornen wird – anspornen zu dringend nötigen Sofortmassnahmen, um aus den fossilen Brenn- und Treibstoffen auszusteigen. Nur so können die CO2-Emissionen in allen Sektoren der Wirtschaft rasch gesenkt werden können. Gleichzeitig muss die Umwelt besser geschützt und wiederhergestellt werden – denn ohne intakte Umwelt lässt sich die Klimaerwärmung nicht stoppen.

Kontakt:

Lydia Ebersbach, Kommunikationsberaterin beim WWF, lydia.ebersbach@wwf.ch

Zusätzliche Informationen

  • Der Weltklimarat (IPCC) ist das UN-Gremium zur Bewertung der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Klimawandel. Er wurde 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen und der Weltorganisation für Meteorologie gegründet, um politischen Entscheidungsträgern regelmässige wissenschaftliche Bewertungen des Klimawandels, seiner Auswirkungen und Risiken zu liefern und Anpassungs- und Eindämmungsstrategien vorzuschlagen.
  • IPCC-Sachstandsberichte sind regelmässige Bewertungen der neuesten Erkenntnisse über den Klimawandel, seine Ursachen, mögliche Auswirkungen und Handlungsoptionen. Die Synthese des sechsten Sachstandsberichts berücksichtigt die Ergebnisse der letzten drei Teilberichte, die in den Jahren 2021 und 2022 veröffentlicht wurden, sowie drei frühere Sonderberichte. Weitere Informationen über den IPCC finden Sie hier: www.ipcc.ch/.
  • Sechs wichtige Erkenntnisse aus den Berichten der drei Arbeitsgruppen des IPCC AR6:
    • Die globalen Emissionen waren zwischen 2010 und 2019 höher als in jedem anderen Jahrzehnt der Menschheitsgeschichte. Quelle: IPCC WG3
    • Die Natur hat in den letzten 10 Jahren 54 Prozent der vom Menschen verursachten Kohlendioxidemissionen absorbiert. 31 Prozent werden von terrestrischen Ökosystemen, einschliesslich Pflanzen, Tieren und Böden, gebunden, und die anderen 23 Prozent werden vom Meer aufgenommen. Quelle: IPCC WG2
    • Ungefähr 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben in Gebieten, die durch die Klimaerwärmung stark gefährdet sind. Quelle: IPCC WG2
    • Die Landwirtschaft und die Erzeugung von Nahrungsmitteln ist für etwa ein Drittel (23 bis 42 Prozent) der weltweiten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Quelle: IPCC WG3
    • Es gibt in jedem Wirtschaftsbereich Lösungen, um die Emissionen bis 2030 im Einklang mit einem 1,5-Grad-Pfad zu halbieren. Quelle: IPCC WG3
    • Zwischen 2010 und 2019 sind die Kosten für Solarenergie und Lithium-Ionen-Batterien (die zur Energiespeicherung verwendet werden) um enorme 85 Prozent gesunken, während die Kosten für Windenergie um 55 Prozent gefallen sind. Quelle: IPCC WG3
  • Der WWF-Bericht Our Climate's Secret Ally: Uncovering the story of nature in the IPCC Sixth Assessment Report (Sechster Sachstandsbericht des IPCC) stützt sich auf die Arbeit des IPCC, um die miteinander verknüpften Krisen der Klimaerwärmung und des Verlusts der biologischen Vielfalt aufzuzeigen – beide Krisen sind vom Menschen verursacht. Der Bericht steht hier zum Download bereit. Infografiken sind auf Anfrage erhältlich, eine deutschsprachige Version ist in Arbeit und wird am 20.3.2023 erwartet.
  • Weitere WWF-Berichte im Zusammenhang mit dem IPCC-AR6-Berichtszyklus sind