Kolumne «Weitsicht»: Wie wir Bioprodukte aus der Nische bringen
Unterwegs im Online-Supermarkt: Ein Kilogramm Bio-Rüebli kostet 3 Franken 30, ein Kilogramm konventionelle 2 Franken. Dasselbe Bild bei den Wurstwaren: Für ein Paar Bio-Cervelats werden 3 Franken 95 verlangt, für normale Cervelas 2 Franken 30. Wem der Umweltschutz wichtig ist, muss oft tief in die Tasche greifen. Für Menschen mit kleinem Budget liegt das ausser Reichweite. Doch sind umweltfreundliche Produkte tatsächlich so viel teuer als konventionelle? Nicht, wenn man richtig hinschaut.
von Ion Karagounis
«Wenn sich die Politik nicht darum kümmert, kann die Wirtschaft in die Bresche springen. »
Erstens: Nicht bei allen Bio-Lebensmitteln sind die Preisunterschiede so gross wie bei den Rüebli oder den Cervelats. So kostet ein Liter Bio-Milch nur 15 Rappen mehr als ein Liter normale Milch. Das können sich fast alle Menschen in der Schweiz leisten – wenn sie denn wollen.
Zweitens: Wer herkömmlich produzierte Lebensmittel kauft, kommt zu billig weg. Er oder sie muss nicht für die Schäden bezahlen, die bei der Produktion an der Umwelt entstehen. Die Allgemeinheit kommt dafür auf.
Trotzdem: Wahr ist, was wahrgenommen wird. Umweltfreundliche Lebensmittel stehen im Ruf, Luxusware zu sein. Das widerspiegelt sich in den Marktanteilen: Ihr Anteil liegt erst bei rund 12 bis 14 Prozent aller verkaufter Lebensmittel.
Was tun? Konventionell produzierte Lebensmittel müssen teurer werden als Bio-Lebensmittel. Gefragt wäre die Politik. Sie könnte Abgaben auf schädliche Emissionen einführen oder Subventionen abbauen, mit denen umweltschädigende Tätigkeiten wie die Fleischproduktion unterstützt werden. Fachleute sprechen von der Internalisierung externer Kosten. Dieses Konzept wird von Ökonom:innen schon lange als sinnvolles Instrument der Umweltpolitik propagiert. Doch die Politik hat sich bis heute darum foutiert, abgesehen von der CO2-Abgabe, bei der sie jedoch auf halbem Weg stehen geblieben ist.
Wenn sich die Politik nicht darum kümmert, kann die Wirtschaft in die Bresche springen. Die Detailhändler könnten den konventionell produzierten Gütern freiwillig die Umweltkosten aufbürden – schrittweise, damit es nicht zu einem Preisschock kommt. Mit den erzielten Mehreinnahmen liessen sich die Bioprodukte verbilligen und die fortschrittlichen Landwirte zusätzlich stützen. Man mag das als Quersubventionierung schlechtreden. Oder als zukunftsfähige Preisgestaltung loben.
Coop und Migros haben viel dazu beigetragen, um den Konsum von Bio-Lebensmitteln salonfähig zu machen. Ohne sie hätten wir nie die heutigen Marktanteile erreicht. Gefragt ist ein nächster mutiger Schritt: Aus der Premiumnische hinaus in den Massenmarkt! Bio muss das neue Prix Garantie oder M-Budget werden. Denn der Durchbruch für umweltfreundlich und biologisch hergestellte Lebensmittel wird erst kommen, wenn sie günstiger sind als herkömmlich produzierte.