Blindflug beim Gewässerschutz: Keine Grenzwerte für hochgiftige Pestizide
Das Insektizid Deltamethrin ist höchst giftig. Trotzdem soll die Landwirtschaft das Mittel weiterhin einsetzen können.
Pestizide und andere Mikroverunreinigungen können das Trinkwasser verschmutzen und Wasserlebewesen schädigen. Mit der Revision der Gewässerschutzverordnung (GSchV) sollen die Gewässer besser vor Pestiziden und ihren Rückständen geschützt werden. Zum Schutz des Trinkwassers und der Biodiversität werden daher strengere Grenzwerte für bestimmte Stoffe festgesetzt.
Doch nun weigert sich der Bundesrat, für die drei Stoffe Deltamethrin, Foramsulfuron, Lambda-cyhalothrin einen Grenzwert festzulegen. Dieser Entscheid folgte, gemäss Berichten der SRF-Rundschau, nachdem in einer inoffiziellen Vorvernehmlassung vorgängig der Bauernverband beim Bundesamt für Umwelt interveniert hatte. Damit wurde die Interessenabwägung zwischen Gewässerschutz und dem Pestizid-Einsatz quasi vorweggenommen.
Mit Deltamethrin und Lambda-cyhlothrin werden just jene beiden Stoffe ausgeklammert, welche aus ökotoxikologischer Sicht am giftigsten sind. Wie lässt es sich rechtfertigen, keine Grenzwerte für Stoffe einzuführen, die schon in kleinsten Dosen verheerende Auswirkungen auf Ökosysteme haben können? Ein einziger Tropfen Deltamethrin vergiftet einen ganzen Bach.
Ohne festgelegte Grenzwerte gibt es auch keine Handlungsmöglichkeiten für den Gewässerschutz, um den Eintrag dieser Stoffe zu reduzieren. Die Schweiz bleibt im Blindflug.
Das Ökotoxzentrum hat für diese Stoffe Grenzwerte erarbeitet. Deltamethrin ist der giftigste Stoff, für den die Fachstelle jemals einen Gewässergrenzwert vorgeschlagen hat: https://www.oekotoxzentrum.ch/expertenservice/qualitaetskriterien/qualitaetskriterienvorschlaege-oekotoxzentrum
Leider reiht sich dieser Vorgang in eine grössere Dynamik ein, welche der Landwirtschaft Interessensvorrang gegenüber gesamtgesellschaftlichen Risiken (Trinkwasser, Gesundheit, Umwelt) geben will. Die letzte grössere agrarpolitische Reform (AP22+) scheiterte in den Räten. Der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative wurde die Pa Iv 19.475 als Versprechen gegenübergestellt, welche das Pestizid-Risiko reduzieren soll. Diese brachte insgesamt drei Verordnungsanpassungen mit sich. Eine davon war nachgerade die Revision der Gewässerschutzverordnung.
Nun wird auf orchestrierte Art und Weise sowohl in der Verwaltung als auch im Parlament alles daran gesetzt diese Errungenschaften der letzten Jahre, die gesetzlich verankert wurden, zu Gunsten der Industrie und Landwirtschaft zu verwässern.
Der Luzerner Nationalrat Leo Müller von der Mitte möchte die Hürden für den Bundesrat erhöhen, bevor er die Zulassung für ein Pestizid überprüfen kann, das unsere Gewässer nachweislich verunreinigt (Motion 24.4589 "realistisches Monitoring für den Gewässerschutz" ). Die FDP-Ständerätin Johanna Gapany greift den Gewässerschutz mit ihrer Motion 25.3154 noch über einen anderen Weg an: Pestizidrückstände in Gewässern sollen einfach weniger oft gemessen werden – so dass wir insgesamt weniger Überschreitungen festellen. Gleichzeitig strebt die PaIv Bregy an, mehr Pestizide in der Schweiz zuzulassen, mehr als jedes andere EU-Land. Sie kommt in der Wintersession in den Nationalrat.
Die Schweiz befindet sich bereits jetzt in einer veritablen Chemikalienkrise. Das Parlament soll solche Vorstösse ablehnen, die jede Fortschritte im Gewässerschutz der letzten Jahre verwässern.
Kontakt:
Jonas Schmid, Mediensprecher WWF Schweiz, jonas.schmid@wwf.ch, 079 241 60 57.