Brechen die Kantone heute in die Energiezukunft auf?
Schwupp und weg: die kantonalen Energiedirektoren haben es heute in der Hand, sie können einen Viertel aller Schweizer CO2-Emissionen bald verschwinden lassen. Dafür müssen sie an ihrer Plenarversammlung eine schlagkräftige Vorlage für die kantonalen Energiegesetze verabschieden - und den untätigen Kantonen Beine machen.
- Die Kantone sind zentral für den Klimaschutz: Sie geben über ihre Energiegesetze vor, wie viel Energie die Schweizer Gebäude für Heizung und die Erwärmung von Wasser verbrauchen und wie viel CO2 sie dabei ausstossen. 2021 waren es satte 38 Prozent des Schweizer Energieverbrauchs und 24 Prozent der Emissionen.
- Wenige neue Massnahmen in den kantonalen Energiegesetzen würden genügen, um den übergrossen Energiehunger zu dämpfen und die schädlichen CO2-Emissionen rasch herunterzufahren. Das ist unabdingbar fürs Klima und die Versorgungssicherheit beim Strom.
- Die Konferenz der kantonalen Energiedirektoren (EnDK) gibt mit einem Mustergesetz für Energie (MuKEn) eine Minimalvariante für die einzelnen Kantone vor. Sie sollen sich beim Schreiben ihrer Gesetze daran orientieren oder weiter gehen. Die letzte Version der MuKEn stammt aus dem Jahr 2014. Es braucht dringend ein Update. Dieses beschliesst die EnDK heute. Der WWF fasst die Lösungen zusammen, welche das heutige Update zwingend beinhalten sollte.
Zitat:
Thomas Häusler, Projektleiter Klima und Energie, WWF Schweiz
«Von effizienten und emissionsfreien Gebäuden profitieren alle: Die Bewohner:innen und Besitzer:innen mit mehr Komfort und günstigen Nebenkosten, das Klima durch tieferen CO2-Ausstoss. Umso mehr ist es höchste Zeit, dass die Energiedirektor:innen und die Kantone ihre Verantwortung wahrnehmen und wirksame Energiegesetze beschliessen.»
Der Aufbruch in die gute Zukunft – fünf Regeln
Diese Regeln muss das Update liefern, damit das Gesetz maximale Wirkung entfaltet:
-- Keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr
-- Elektroheizungen müssen ersetzt werden
-- Sonnenkraft für alle Gebäude
-- Energieverschwendung bei Gebäuden stoppen
-- Pflicht für kommunale Energieplanung
Keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr
Ersetzt ein Besitzer eines Einfamilienhauses die alte fossile Heizung mit einer neuen Öl- oder Gasheizung, wird diese über ihre Lebensdauer von 15-20 Jahren die Atmosphäre mit 60 bis 100 Tonnen CO2 verschmutzen. Das können wir uns nicht mehr leisten: Um das 1.5-Gradziel des Pariser Klima-Abkommens doch noch zu erreichen, kommt es auf jede Tonne CO2 an.
Die Kantone Glarus, Basel-Stadt und Zürich beweisen: Technisch und politisch ist es möglich, den Einbau neuer fossiler Heizungen zu verbieten. Sie haben dies bereits eingeführt – Probleme traten dabei keine auf. Und eine neue Studie der EnDK zeigt, dass es einen Unterschied macht, ob ein Kanton fossile Heizungen verbietet oder wie die bisherigen MuKEn nur einen erneuerbaren Anteil bei den Brennstoffen verlangt. Das Fazit der Studienautoren: «Es ist klar, dass die bestehenden Vorschriften noch nicht genügen […]. Dazu braucht es im Grundsatz eine Pflicht zu 100 Prozent erneuerbarer Energie in allen Bauten.»
Elektroheizungen müssen ersetzt werden
Elektroheizungen sind Energiefresser. Trotzdem gibt es in der Schweiz noch immer fast 143 000 davon. Sie verschleudern wertvollen Strom ausgerechnet dann, wenn er knapp ist, nämlich im Winterhalbjahr. Dann sind sie für rund 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs verantwortlich. Die MuKEn von 2014 enthalten gewisse Vorschriften für den Ersatz von Elektroheizungen. Sie sind aber ungenügend und rund die Hälfte der Kantone hat sie bisher nicht in ihre Gesetze übernommen. Es braucht jetzt eine Ersatzpflicht für alle Elektroheizungen, die auch rasch umgesetzt wird.
Sonnenkraft für alle Gebäude
Noch stehen nur auf einem Bruchteil der Schweizer Dächer Photovoltaik-Anlagen. Damit die Energiewende gelingt und die Versorgungssicherheit gewährleistet ist, braucht es einen Solarstandard für Neubauten und bei umfassenden Dachsanierungen. Für Fassaden mit hoher Sonneneinstrahlung gilt dasselbe. Zudem ist ein Fahrplan nötig, der vorgibt, bis wann bestehende grosse und später auch kleinere Gebäude solaraktiv sein müssen.
Oft wird heutzutage ein Dach nur teilweise mit PV-Modulen belegt, wie Studien zeigen. Mit der vom Bundesparlament vorbereiteten Mindestvergütung für Solarstrom wird der Bau einer PV-Anlage endgültig für alle zum lohnenden Geschäft. Ein Grund mehr dafür, alle geeigneten Flächen für Solarenergie zu nutzen – sie ist die Basis der Energiewende.
Energieverschwendung bei Gebäuden stoppen
Ein Viertel der Gebäude in der Schweiz verbraucht mehr als das restliche Dreiviertel des Immobilienparks. Diese Energieschleudern müssten dringend saniert werden. Doch dies geschieht viel zu langsam, um die Schweizer Klimaziele zu erreichen. Darum braucht es eine Regelung, die verlangt, dass die ineffizientesten Bauten saniert werden (jene in den Kategorien F und G der kantonalen Energieetikette GEAK). Der Kanton Waadt macht’s vor, sein Entwurf des neuen Energiegesetzes enthält die Sanierungspflicht.
Eine Pflicht zur kommunalen Energieplanung
Eine gute Energieplanung sorgt für Planungssicherheit in den Gemeinden und für Hauseigentümer:innen. Wenn für jede Parzelle bekannt ist, welche Optionen der Wärmeversorgung künftig verfügbar sein werden, können alle Akteure wirtschaftlich und für den Klimaschutz optimale Entscheidungen treffen.
Der Knackpunkt sind die weitverbreiteten Gasnetze. Sie müssen in den nächsten Jahren redimensioniert werden, da es nicht genügend Biogas geben wird, um sie klimaneutral zu betreiben. Wie das funktioniert, demonstriert zum Beispiel Winterthur. In seinem Energieplan wurden Stadtgebiete ermittelt, die den Aus- oder Neubau von Fernwärmenetzen als Ersatz vorsehen. In anderen Gebieten sollen vor allem Wärmepumpen zum Einsatz kommen. Parallel dazu wird die Gasversorgung zurückgebaut. Dies verschafft den Liegenschaftsbesitzer:innen Planungssicherheit – und auch den Betreiber:innen der Wärmenetze.
Ohne Engagement der Kantone geht es nicht
Eine noch so gute Vorlage nützt nichts, wenn sie in einer Schublade verstaubt. Dies ist bei den MuKEn14 in krasser Weise der Fall: Obwohl die letzte Version fast zehn Jahre alt ist, haben einige Kantone noch nichts davon umgesetzt. Viele andere blieben mit ihren Energiegesetzen weit hinter der Vorlage der EnDK zurück. Dies hat viele Hunderttausend Tonnen zusätzliche CO2-Emissionen verursacht. Den Preis dafür zahlen das Klima und wir alle.
Darum muss die Plenarversammlung der EnDK heute nicht nur eine wirksame Vorlage beschliessen, sondern die Kantone auch mit Nachdruck dazu drängen, diese rasch umzusetzen.
Kontakt:
Jonas Schmid, Kommunikationsberater, WWF Schweiz, jonas.schmid@wwf.ch, 079 241 60 57