21. Dezember 2022 — Medienmitteilung

WWF-Bericht: Schweizer Finanzplatz verliert den Anschluss

Die Ergebnisse des WWF-SUSREG-Report zeigen, dass Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden trotz erster Fortschritte beim Übergang zur umweltfreundlichen Netto-Null-Wirtschaft weit unter ihren Möglichkeiten und dem Notwendigen liegen. Zum ersten Mal wurde neben Zentralbanken und Aufsichtsbehörden auch der Versicherungssektor untersucht. Die Schweiz fällt im internationalen Vergleich weiter zurück. 

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SUSREG REport 2022 Cover_2

•    Der Bericht hebt die wichtigsten Ergebnisse der SUSREG-Bewertung 2022 hervor, in welchem Nachhaltigkeitsfaktoren in der Finanzmarktaufsicht und Zentralbankaktivitäten von 44 Ländern bewertet werden.
•    Zusammen verfügen die untersuchten Länder über 88% des globalen BIP und sind für 72% der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Darunter sind auch 11 der 17 Länder mit der grössten biologischen Vielfalt weltweit.  
•    Das Problem: Noch heute fliessen grosse Summen in die umweltschädlichsten und finanziell risikoreichsten Aktivitäten wie Entwaldung, Exploration und Gewinnung fossiler Brennstoffe sowie zerstörerischer Bergbau. Diese Finanzströme treiben den Verlust der biologischen Vielfalt und den Klimawandel weiter voran. 
•    Der WWF-Bericht zeigt, dass weder FINMA noch SNB effektive Rahmenbedingungen definieren, welchen den Schweizer Finanzmarkt weiterbringen.

Zitat Maud Abdelli, Expertin für Sustainable Finance beim WWF Schweiz:
«Das eben unterzeichnete Kunming-Montreal-Abkommen verpflichtet die Welt, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2030 zu stoppen. Damit brauchen wir auch seitens der Zentralbanken, Aufsichts- und Regulierungsbehörden koordinierte internationale Massnahmen. Durch seine Rolle als Kapital-, Kredit- und Versicherungsgeber für die Realwirtschaft spielt das Finanzsystem eine entscheidende Rolle beim Übergang zu einer kohlenstoffarmen, umweltfreundlichen Wirtschaft.»

Versicherungsbranche unter der Lupe
Der diesjährige Bericht kommt zum Schluss, dass es trotz der Fortschritte einiger Vorreiterländer zu viele Schwachstellen gibt, welche einen Übergang zur Netto-Null-Wirtschaft verschleppen. Die Bewertung befasst sich mit der Leistung von Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden: Zum ersten Mal auch mit dem Versicherungssektor. Mit einem verwalteten Vermögen von 30 Billionen US-Dollar und einem weltweiten Prämienvolumen von 5 Billionen US-Dollar hält die Versicherungs-branche rund ein Drittel der weltweiten wirtschaftlichen Vermögenswerte und Verbindlichkeiten in ihren Bilanzen. Damit kommt auch der Versicherungsbranche enorme Bedeutung zu.

Da der Verlust der Natur eine ebenso grosse Bedrohung darstellt wie der Klimawandel, sollte er als eine doppelte Finanzkrise behandelt werden. 88% der Länder geben Bankvorschriften und aufsichtsrechtliche Erwartungen heraus, welche Klimarisiken berücksichtigen – 79% bei Versicherungsregulierungen. Es wird zunehmend erwartet, dass Klimaüberlegungen in die Geschäftsstrategien der Finanzinstitute integriert werden. Weitergehende Umweltrisiken wie Naturschäden werden immer noch nicht berücksichtigt. Die Forderung nach einer obligatorischen Offenlegung der Risiken, die sich aus den Auswirkungen des Klimawandels und dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ergeben, wird immer lauter. 83% der Länder verlangen von den Banken die Offenlegung von Klimadaten. Die reine Messung und transparente Berichterstattung allein reichen nicht aus, um Veränderungen in dem erforderlichen Umfang und Tempo zu erreichen.

Die Schweiz muss aufholen
Der Bundesrat hat entschieden, dass die Schweiz Vorreiterin im Bereich «Sustainable Finance» werden soll. Der kürzlich publizierte Klimatest des BAFU zeigt auf, dass trotz wenigen Fortschritten, die generelle Tendenz weiterhin ungenügend ist. Schweizer Banken und Versicherungen heizen den Klimawandel und Biodiversitätsverlust weiterhin an. Die Schweizer Finanzakteure brauchen klare Rahmenbedingungen, welche Anreize für Nachhaltigkeit setzen und nicht-nachhaltige Investitionen weniger interessant machen. Die SNB und die FINMA definieren diese Spielregeln, welche Schweizer Banken und Versicherungen einhalten müssen. Der WWF-Bericht zeigt, dass im Gegensatz zu anderen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden, FINMA und SNB zu wenig machen. Die Schweiz fällt im internationalen Vergleich zurück. Dies erhöht die klima- und biodiversitätsbedingten finanziellen Risiken und damit auch die Preis- und Finanzstabilität in der Schweiz.

Keine Zeit für Ausreden
Der WWF fordert Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Versicherer auf, glaubwürdige und ehrgeizige Übergangspläne zu implementieren, um den Klimaschutz zu beschleunigen sowie Naturverluste zu stoppen. Die Übergangspläne müssen den Akteuren auf den Finanzmärkten die nötige Klarheit und Orientierung bieten sowie quantifizierbare, rechtlich-verbindliche Klima- und Biodiversitätsziele für 2025, 2030 und 2050 enthalten.

Zudem erachtet es der WWF als dringlich, dass die Geldpolitik wirtschaftlichen Kosten und das finanzielle Risiko von «stets umweltschädlichen» wirtschaftlichen Aktivitäten, Unternehmen und Sektoren besser widerspiegeln. Diese Vermögenswerte stellen die höchsten finanziellen Risiken dar. Finanzinstitute, welche Kredite an Unternehmen vergeben, die in umweltschädliche Aktivitäten verwickelt sind, sollten weitaus höhere Kapitalanforderungen erfüllen müssen. So wird langfristigen Risiken besser Rechnung getragen. 

Link zum SUSREG Report 2022:
https://wwfint.awsassets.panda.org/downloads/wwf_susreg22_ar.pdf

Zusammenfassung: 
https://wwfint.awsassets.panda.org/downloads/wwf_susreg22_es.pdf 

Kontakt: Christoph Kinsperger, Kommunikationsberater WWF Schweiz, christoph.kinsperger@wwf.ch, 078 749 88 14

WWF SUSREG Assessment
Im Jahr 2021 startete der WWF die SUSREG-Bewertung (Sustainable Financial Regulations and Central Bank Activities), um zu bewerten, wie Umwelt- und Sozialrisiken in die Regulierungs- und Aufsichtspraktiken sowie in Zentralbanken und andere Finanzaktivitäten integriert werden. Ziel der Bewertung ist es, Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden dabei zu helfen, ihre Politik mit neu entstehenden regionalen und globalen bewährten Praktiken zu vergleichen, um Finanzströme in Richtung nachhaltiger Praktiken zu lenken und die Kreditvergabe, das «Underwriting» und die Investitionen von den umweltschädlichsten Unternehmen und Sektoren abzuziehen, um eine Netto-Null-Wirtschaft zu unterstützen.

Die Bewertungen werden jedes Jahr veröffentlicht, und der dazugehörige Jahresbericht ist hier erhältlich. Die diesjährige Jahresbewertung befasst sich mit der Leistung von Zentralbanken, Banken- und Versicherungsaufsichtsbehörden in 44 Ländern auf der ganzen Welt.  Die Ergebnisse der Bewertung für die einzelnen Länder werden im Februar 2023 auf einer neu gestalteten Online-Plattform, dem SUSREG Tracker, verfügbar sein. Der Schwerpunkt liegt zunächst auf der Bankenaufsicht, doch wird der SUSREG-Rahmen schrittweise auf andere wichtige Bereiche des Finanzsystems wie Kapitalmärkte und Vermögensverwaltung ausgeweitet. https://www.susreg.org/

Greening Financial Regulation Initiative (GFRI)
Die Greening Financial Regulation Initiative des WWF zielt darauf ab, Klima- und Umweltrisiken in den Mittelpunkt des Finanzsystems zu rücken. Mit dieser Initiative will der WWF den Zusammenhang zwischen Finanzrisiken und Umweltrisiken wie Klimawandel, Wasserknappheit und Rückgang der biologischen Vielfalt nachweisen und politische Entscheidungsträger, Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden auf die Notwendigkeit hinweisen, diese Risiken in ihre Mandate und Tätigkeiten zu integrieren. Dabei stellt der WWF die notwendigen Instrumente, wissenschaftlichen Untersuchungen, Bewertungen und Hilfestellungen zur Verfügung, um die Ambitionen auf der globalen politischen Agenda für nachhaltige Finanzen zu stärken. www.panda.org/gfr