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05. September 2023

Geld macht die Welt

Mal angenommen, sie erben 50 000 Franken. Wo investieren Sie jetzt: Stecken Sie Ihr Geld in eine Erdölraffinerie, welche die Umwelt schädigt? Oder doch lieber in ein Schweizer Unternehmen, das Solarenergieanlagen auf Dächern realisiert? Beides bringt Ihnen Gewinne ein und sorgt für eine warme Stube. Sie haben die Wahl. Aber mit Ihrem Entscheid bestimmen Sie nicht nur über Ihr Geld, sondern über sehr viel mehr.

«Bund und Parlament verkennen bis heute die Wichtigkeit, die Finanzflüsse auch auf die Biodiversitätsziele auszurichten.»

Tausende von Milliarden
Doch denken wir für einen Moment in einem sehr viel grösseren Massstab: Es sind nämlich Milliarden von Franken, die Investoren und Banken täglich in Unternehmen investieren. Das globale Finanzsystem beeinflusst die Zukunft unserer Natur sehr viel mehr, als wir denken, und der Einfluss der Schweiz ist gross: In unserem Land liegen über 7800 Milliarden Franken an Vermögen aus der ganzen Welt. Geld, mit dem die Schweiz die Klima- und Biodiversitätskrise entweder weiter befeuern oder den Wandel zu einer umweltfreundlicheren Zukunft unterstützen kann.

Mit unserem Reichtum ist auch eine riesige Verantwortung verbunden, denn die Schweizer Finanzentscheide wirken sich ganz direkt auf den Zustand der Umwelt aus und sind damit von globaler Bedeutung – was Folgen für uns alle hat. Aktuelle Untersuchungen gehen davon aus, dass die Schweizer Finanzströme mehr als 20-mal so viele Treibhausgas-Emissionen verantworten wie die gesamte Bevölkerung und Industrie der Schweiz. Wenn unsere Finanzströme weiterhin dorthin fliessen wie heute, wird sich das globale Klima um 4 bis 6 Grad erhitzen. Diese Schätzung stammt vom Bundesamt für Umwelt. Es ist höchste Zeit für einen Richtungswechsel.

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Paradeplatz Zürich

Die Gleichung ist einfach: Geht es der Umwelt gut, ist das auch für die Wirtschaft und die Stabilität des Finanzsektors besser. Kein Sektor ist besser geeignet, den Wandel hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu fördern als der Finanzsektor. Dies hat der Bundesrat bereits 2020 erkannt, als er den Anspruch formuliert hat, die Schweiz zu einem führenden Standort für nachhaltige Finanzdienstleistungen zu machen. Wie dies erreicht werden soll, hat die Regierung in einer Strategie aufgezeigt, ohne dabei bedeutende Massnahmen zu präsentieren. 

Und hier kommen Sie als Kleinanleger: in wieder ins Spiel – mit Ihren eigenen Finanzentscheiden, aber auch, indem Sie umweltfreundliche Politiker:innen ins Parlament wählen. Denn obwohl das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzwelt mit Verzögerung auch im Parlamentsbetrieb angekommen ist, wird es noch längst nicht so dringlich behandelt wie nötig.

Verlieren wir den Anschluss?
Ohne konkrete Massnahmen verliert die Schweiz den Anschluss an die EU und andere wichtige Finanzplätze. Unser Land hat zwar erste Schritte unternommen mit dem Fokus auf mehr Transparenz: auf Stufe Finanzprodukt (Swiss Climate Scores) sowie hinsichtlich der Klimaverträglichkeit von Finanzinstituten (Klimatests des Bundes). Beide sind jedoch freiwillig. Zudem wurde im Bereich «Sustainable Finance» eine Pflicht zur Berichterstattung für grosse Unternehmen eingeführt.

Doch das sind Etappensiege, mehr nicht. Denn handfeste Forderungen erreichen im Parlament keine politische Mehrheit, und der Finanzsektor selbst wehrt sich gegen gesetzliche Vorgaben. Dabei geht es nicht nur ums Klima, sondern auch um die Biodiversität: Bund und Parlament verkennen bis heute die Wichtigkeit, die Finanzflüsse auch auf die Biodiversitätsziele auszurichten.

Die Selbstregulierung der Branche stösst an ihre Grenzen. Es ist höchste Zeit, in der Schweiz verbindliche gesetzliche Vorgaben zu schaffen, um die globalen Finanzflüsse in nachhaltige Bahnen zu lenken. Das neue Parlament kann die Rahmenbedingungen entsprechend ausgestalten. Auch deshalb sind diese Wahlen entscheidend, denn das Parlament muss wichtige Weichenstellungen vornehmen, um den Schweizer Finanzplatz nachhaltiger zu gestalten.