13. Oktober 2025 — Medienmitteilung

Wenn Veränderung unumkehrbar kippt

Die Menschheit steht vor einer «neuen Realität»: Wir haben den ersten von vielen Kipppunkten – die sogenannten Tipping-Points – des Erdsystems erreicht: In manchen Regionen sind die Korallen wohl nicht mehr zu retten. Ein neuer Bericht, der University of Exeter, gemeinsam mit dem WWF und weiteren Partnern, belegt die Gefahr der Kipppunkte eindrücklich. Doch Veränderung kann auch ins Gute kippen. Das belegen «positive Kipppunkte» beispielsweise im Bereich der Solartechnologie.

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Nahaufnahme Weichkoralle, Papua-Neuguinea
  • Erster Kipppunkt erreicht: Massensterben der Warmwasser-Korallenriffe wahrscheinlich im Gang.
  • Weitere katastrophale Kipppunkte drohen: Das Abschmelzen der Eisschilde in Grönland und der Westantarktis, die Versteppung des Amazonas-Regenwalds oder der Kollaps wichtiger Meeresströmungen.
  • Aber Veränderung kann auch ins Gute kippen: Positive Kipppunkte wie grüne Technologien, die sich schnell verbreiten, sind der Beweis.

Zitate:
«In den zwei Jahren seit dem ersten Global Tipping Points Report hat es in einigen Bereichen eine radikale globale Beschleunigung gegeben – beim Ausbau der Solarenergie und bei Elektrofahrzeugen. Aber wir müssen mehr tun und schneller vorankommen, um die Chancen positiver Kipppunkte zu nutzen. So können wir die Treibhausgasemissionen drastisch senken und die Welt von katastrophalen Kipppunkten weg in Richtung einer lebenswerten, nachhaltigen Zukunft kippen.» - Professor Tim Lenton vom Global Systems Institute der University of Exeter


«Dass Warmwasser-Korallenriffe ihren thermischen Kipppunkt überschreiten, ist eine Tragödie für die Natur und die Menschen, die auf sie angewiesen sind. Diese Situation muss ein Weckruf sein. Die Lösungen liegen in unserer Reichweite. Länder müssen den politischen Mut zeigen, zusammenzuarbeiten und diese Lösungen zu erreichen.» - Dr. Mike Barrett, wissenschaftlicher Chefberater bei WWF-UK und Co-Autor des Berichts
 

«Ich begrüsse den Global Tipping Points Report als hoffnungsvollen und nüchternen Beweis dafür, dass die Menschheit sich noch immer entscheiden kann, sich zu verändern und in Richtung einer sicheren, prosperierenden und gerechten Zukunft zu entwickeln.» - Der designierte Präsident der COP30 in Brasilien, Botschafter André Corrêa do Lago


«Jedes weitere Zehntelgrad Erwärmung erhöht die Gefahr, dass verhängnisvolle Kipppunkte ausgelöst werden. Doch wir haben es in der Hand, für positive Dynamik zu sorgen. Zum Beispiel, indem wir unser Parlament dazu ermutigen, endlich für ein griffiges und wirksames CO2-Gesetz zu sorgen.» - Thomas Häusler, Verantwortlicher internationale Projekte, WWF Schweiz
 

Der zweite Global Tipping Points Report zeigt, dass Warmwasser-Korallenriffe, ihren Kipppunkt vermutlich  überschritten haben. Ein Massensterben der Korallen ist im Gang.  Gleichzeitig stehen wir am Rand weiterer Kipppunkte: das Schmelzen der Eisschilde in Grönland und der Westantarktis, der Zusammenbruch wichtiger Meeresströmungen und der Kollaps des Regenwalds in Teilen der Amazonasregion. 
Der Bericht, der von 160 Wissenschaftler:innen aus 87 Institutionen in 23 Ländern verfasst wurde, zeigt aber auch: geeignete Massnahmen können «positive Kipppunkte» auslösen und zu einer sicheren und nachhaltigeren Zukunft beitragen.  Das Ziel bleibt, die Erderhitzung bei +1,5°C zu stoppen. Sollten wir diese Marke vorübergehend überschreiten (sogenannter «Overshoot»), ist entscheidend: Je geringer die Überschreitung und je kürzer die Dauer, desto kleiner das Risiko katastrophaler Kipppunkte.

Folgende positiven Kipppunkte sind bereits ausgelöst und bieten Chancen für eine nachhaltige Transformation:
•    Energie und Mobilität: Photovoltaik, Windkraft und Elektrofahrzeuge haben positive Kipppunkte bereits überschritten. Diese Technologien sind billiger und besser als ihre Vorgänger – ein Zurück ist unwahrscheinlich.
•    Wiederherstellung der Natur: Nachhaltigere Konsum- und Produktionsmuster können Kipppunkte in Lieferketten auslösen, die Entwaldung beenden.
•    Gesellschaftlicher Wandel: Die Sorge um den Klimawandel wächst weltweit. Selbst kleine engagierte Gruppen können gesellschaftliche Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit beschleunigen. 
•    COP30 als Beschleuniger: Die Klimakonferenz in Belém soll positive Kipppunkte gezielt fördern – mit einer «Action Agenda» für alle Sektoren von Landwirtschaft bis Energie, von Wäldern bis zu Städten.

Die drei grössten Risiken:


Korallenriffe: Bei der aktuellen Erderwärmung von etwa 1,4°C bleichen Korallenriffe wiederholt aus und können sich nicht mehr erholen – ein Massensterben ist die Folge. Selbst bei Stabilisierung auf 1,5°C werden sie grossteils  verloren gehen, sofern die Temperatur nicht wieder sinkt.


Amazonas: Der Schwelle für ein Massensterben in dieses einzigartig-vielfältigen Ökosystems liegt niedriger als bisher angenommen. Aktuell wird davon ausgegangen, dass bereits eine Erwärmung von knapp 1,5°C dazu führen könnte. Die voranschreitende Abholzung erhöht zudem die Gefahr einer Versteppung grosser Regionen im Amazonas-Gebiet. Über hundert Millionen Menschen sind direkt auf den Amazonaswald angewiesen. Sei dies für Nahrung, Wasser, Medizin, kulturelle Identität oder ein stabiles Klima.


Meeresströmungen:  Die Atlantische Umwälzströmung  (AMOC) könnte  schon zusammenbrechen bevor eine Erwärmung von +2°C erreicht ist – mit drastischen Folgen für Klima, Monsunregen und die globale Ernährungssicherheit. Zum Beispiel würden Teile Europas im Winter deutlich kälter als heute.

Professor Lenton sagt dazu: «Nur mit einer Kombination aus entschlossenem politischem Handeln und zivilgesellschaftlichem Engagement können wir die die Welt noch weg von den existenz-bedrohenden Kippunkten hin zu den Chancen der positiven Tipping Points lenken.»

Kontakte:
Alex Morrison (Pressebüro der University of Exeter). E-Mail: a.morrison@exeter.ac.uk 
Susanna Petrone, WWF Schweiz. T: +41 76 552 18 70, E-Mail: susanna.petrone@wwf.ch

Weitere Informationen:  
Hier geht es zum Bericht 
Offizielle Web-Seite 
Videos mit Case Studies (Amazon, AMOC und Reef)