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Bauernhaus mit Solarzellen auf dem Dach
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02. März 2022

Sieben Energie-Mythen unter der Lupe

Energie ist seit Jahrzehnten ein Megathema.
Mit der Klimakrise ist die Diskussion darüber noch wichtiger geworden.
Zeit, um zentrale Fragen in der Energiediskussion zu beantworten.

von Marie Seidel

1. Können wir überhaupt noch mehr Energie sparen?

des täglichen Stromverbrauchs wird verschwendet.

Mehr sparen geht immer, auch wenn die Schweiz im internationalen Vergleich eher wenig Energie verbraucht. Dies hat einen simplen Grund: Vieles, was bei der Herstellung eine Menge Energie braucht, lassen wir im Ausland produzieren und importieren es. So beispielsweise Autos, Maschinen und Rohstoffe. Doch was passiert mit der Energie, die wir tatsächlich im Inland verbrauchen? Wir nutzen sie weder wirkungsvoll noch sparsam. Rund ein Drittel wird schlicht verschwendet. Aus dem Fenster geworfen, weil Gebäude schlecht isoliert sind. Umsonst verbraucht, weil Fernseher meistens im Stand-by-Modus sind. Oder weil unsere Kühlschränke nicht den neuesten Standards entsprechen und dadurch richtige Stromfresser sind. Fakt ist: Allein beim täglichen Stromverbrauch könnten wir rund ein Drittel sparen. Die günstigste und umweltfreundlichste Energie ist jene, die wir gar nicht produzieren müssen.

2. Schädigen Solaranlagen unsere Umwelt?

Übers Ganze gesehen sind Solaranlagen umweltfreundlich. Wobei Solarmodule nicht in den normalen Abfall gehören, weil sie oftmals in geringen Mengen schädliche Substanzen wie Blei enthalten. Defekte Module lassen sich recyceln, ohne Kosten für Besitzer.
Das Glas, welches rund 85 Prozent des Gesamtgewichts ausmacht, wird dabei für die Herstellung von Flachglas oder von Glaswolle als Dämmmaterial aufbereitet. Rund 10 Prozent des Gewichts machen Metalle aus, sie werden aufgetrennt und für Metallhütten aufbereitet.

Auch ein Blick auf die Energie- und Klimabilanz zeigt, wie umweltfreundlich Solaranlagen sind: Berücksichtigt man alle Emissionen aus Herstellung, Transport und Entsorgung von Modulen, so sind sie mit nur 35 bis 65 Gramm CO2 pro erzeugte Kilowattstunde Strom sehr klimafreundlich, ein neues Gaskraftwerk kommt dagegen auf 380 g CO2 pro kWh. Heutzutage liefert eine Solaranlage während ihrer Lebensdauer 15- bis 20-mal mehr Energie, als ihre Herstellung benötigt. Vieles spricht also für die Solarenergie. Zumal die Schweiz heute nur knapp 4 Prozent ihres Potenzials auf Dächern für Solarstrom nutzt. Höchste Zeit, diesen Trumpf im Kampf gegen die Erderhitzung auszuspielen.

3. Sind E-Autos wirklich umweltfreundlich?

Betrachtet man den ganzen Lebenszyklus eines Fahrzeugs, von der Produktion über die Nutzung bis zum Recycling, schneiden E-Autos deutlich besser ab als Benzin- und Dieselschlucker. Selbst dann noch, wenn der Strom für den Betrieb des Fahrzeugs allein mit Kohlekraft erzeugt würde. E-Autos sind umweltfreundlicher, denn ein Elektroantrieb ist viel effizienter, benötigt also deutlich weniger Energie als ein Verbrennungsmotor. Sauberen Strom gibt es in zunehmend grossen Mengen. Im Vergleich dazu belasten Benzin und Diesel die Umwelt viel stärker durch die sehr hohen CO2-Emissionen sowie die Umweltschäden bei Erdölförderung, -raffinierung und -transport. Klar, die Herstellung von Batterien verursacht einen grossen Umweltfussabdruck. Die Gewinnung von Rohstoffen wie Kobalt, Lithium und Kupfer schadet oft Mensch und Umwelt. Dieser Fussabdruck wird aber durch den umweltfreundlicheren Betrieb deutlich überkompensiert. Um den Verbrauch an Rohstoffen zu begrenzen, wird nun in der Schweiz die erste Recyclinganlage für Elektroauto-Batterien gebaut.

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Lösung Batterierecycling E-Autos

Das Schweizer Unternehmen KYBURZ Switzerland hat eine Möglichkeit gefunden, Elektroauto-Batterien zu recyclen.

Generell gilt: je leichter das E-Auto und je sauberer der Strom, umso besser die Umweltbilanz. Zu betonen ist aber, dass sich unser Mobilverhalten trotz E-Autos wandeln muss. Benzin- und Dieselautos eins zu eins mit Elektroautos zu ersetzen, bringt uns nicht wirklich weiter: Probleme durch Stau, Lärm, Verkehrsunfälle, Landschaftsverbrauch und Bodenversiegelung bleiben. Kürzere Arbeitswege, Carsharing und Vorfahrt für Fussgänger, Velofahrerinnen und öffentlichen Verkehr sowie emissionsfreie Antriebe für alle Verkehrsmittel – so sieht die Mobilität der Zukunft aus.

4. Können erneuerbare Energien unseren Strombedarf decken?

Ja, das ist gut machbar, auch wenn der Stromverbrauch steigt: Diesel- und Benzinmotoren müssen wir ersetzen, zum Teil mit E-Autos, zum Teil mit öffentlichem Verkehr und E-Bikes. Von Öl- und Gasheizungen wechseln wir zu Wärmepumpen, die Strom brauchen. Hinzu kommt, dass die alten AKWs vom Netz genommen werden. Solaranlagen könnten einen Grossteil des Stroms liefern, den die Schweiz wegen des Ausstiegs aus Atomkraft, Öl und Gas benötigt. Das Bundesamt für Energie hat berechnet, dass das Solarstrom-Potenzial allein auf Schweizer Gebäuden bei jährlich 67 Milliarden Kilowattstunden liegt. Würden wir es voll nutzen, entspräche dies 110 Prozent des heutigen Stromverbrauchs. Kombinieren wir die Solarenergie mit den weiteren einheimischen erneuerbaren Energien wie der bestehenden Wasserkraft sowie Windkraft, Biomasse und künftig Geothermie, können wir unseren Strombedarf decken.

5. Geht die Energiewende nicht auf Kosten der Natur?

Das müssen wir unbedingt vermeiden. Wenn wir die meisten Dächer, Fassaden, aber auch Infrastrukturen wie Lärmschutzwände, Mittelstreifen von Autobahnen und Parkplätze für Solaranlagen brauchen, decken wir damit schon einen rechten Teil des künftigen Strombedarfs. Und das ohne zusätzlichen Eingriff in die Natur. Und die Windenergie? Die Schweiz ist zwar nicht so gut für Windkraft geeignet wie manch ein Küstenland, aber einige windige Kreten und Täler gibt es. Gemeinsam mit anderen Umweltorganisationen sieht der WWF aktuell das Potenzial bei rund 400 Windenergieanlagen in der Schweiz. Berücksichtigt werden dabei strikte Umweltkriterien wie der Schutz von Vögeln und Fledermäusen. Und Wind hat es vor allem im Winter.

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Solardach auf einem Bürogebäude in Neuhausen

Solardach auf einem Bürogebäude in Neuhausen am Rheinfall

Bleibt die Wasserkraft. Doch hier ist klar: Die Zitrone ist ausgepresst. Viel mehr als die heutigen 56 Prozent des Schweizer Strombedarfs lassen sich schlicht nicht aus den Gewässern abdecken. Bereits heute sind über 90 Prozent der Bäche und Flüsse stark beeinträchtigt, insbesondere auch durch die Stromproduktion. Deswegen müssen bestehende Werke saniert werden, damit Wasserkraftstrom ökologischer wird. Neue Wasserkraftwerke hingegen bedrohen vielfach die letzten wertvollen Naturgebiete. Besonders Kleinkraftwerke zerstören viel Natur und bringen wenig Strom. Sie sollten deshalb nicht subventioniert werden. Der WWF ist überzeugt, dass die Energiewende auch mit konsequentem Naturschutz gelingt.

6. Brauchen wir Gas als Übergangsenergie?

Erdgas ist eine fossile Energiequelle und damit auch als Übergangslösung keine Alternative. Bei der Verbrennung von Gas entsteht das Treibhausgas CO2. Und wenn es in Form von Methan direkt in die Atmosphäre gelangt, ist es noch viel schädlicher. Denn Methan hat ein deutlich höheres Treibhausgaspotenzial als CO2. Darum sollte Erdgas im Boden bleiben. Um katastrophale Folgen der Klimaerhitzung zu vermeiden, muss die Schweiz vor 2040 aufhören, Erdgas zu verbrennen. Erdgas komplett mit Biogas zu ersetzen geht nicht. Denn einheimisches Biogas kann höchstens zehn Prozent des heutigen Absatzes von fossilem Erdgas ersetzen. Für den Rest setzen wir vor allem auf Strom und Umweltwärme (Wärmepumpen), Energiesparen und synthetisch erzeugte erneuerbare Gase.

7. Schützt die Atomkraft unser Klima?

Trotz der relativ tiefen Treibhausgasemissionen ist Atomkraft alles andere als eine nachhaltige Energiequelle. Der Uran-Abbau zerstört die Umwelt. Unfälle wie Fukushima und Tschernobyl sind für Mensch und Natur verheerend. Ein Unfall in der Schweiz könnte grosse Teile des Landes unbewohnbar machen. Und auch nach 70 Jahren hat die Atomindustrie immer noch keine Lösung für Atommüll gefunden. Auch wirtschaftlich führt uns die Atomkraft in eine höchst gefährliche Sackgasse. Jedes Jahr wird der Bau neuer Werke und die Nachrüstung alter Atomkraftwerke teurer. Die Gesellschaft zahlt die entsprechend steigende Stromrechnung.

Was Sie tun können

Diesen und weitere Texte finden Sie im WWF Magazin, exklusiv für unsere Mitglieder. Als WWF-Mitglied sind Sie Teil unseres grossen Netzwerks und unterstützen unsere Projekte für Klima- und Umweltschutz in der Schweiz und weltweit. Wir freuen uns auf Sie! Ideen, wie Sie im Alltag besonders viel fürs Klima tun können, haben wir für Sie unter unseren Klima-Tipps zusammengestellt.
 

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Panda liegt auf Baum

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Frau steht lächelnd am Bahnhof

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