Mongolei: 100 Quellen für die Saiga-Antilope
Seit Jahrtausenden zieht die Mongolische Saiga-Antilope durch die Trockensteppen der Mongolei. Heute ist sie durch Tierseuchen, extreme Winter und das Versiegen von Wasserquellen bedroht. Der WWF arbeitet deshalb gemeinsam mit Hirtenfamilien am Schutz dieser lebenswichtigen Wasserstellen.
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InternationalIm Westen der Mongolei ist Wasser ein rares Gut. Niederschläge und Schneeschmelze in den Bergen versickern im Boden und speisen so das Grundwasser. Dadurch entstehen in den Steppen- und Halbwüstenlandschaften Quellen, die Wild- und Nutztiere mit Trinkwasser versorgen und Gras auf den umliegenden Weiden wachsen lassen. Die Quellen sind überlebenswichtig für die Saiga, eine Antilopenart, die sich perfekt an die extremen Bedingungen der kargen Landschaft angepasst hat. Ihre rüsselartige Nase filtert Staub und hilft bei der Temperaturregulierung – eine wichtige Anpassung an eine Region, in der im Winter Temperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius und im Sommer bis über 35 Grad üblich sind.
Lebensgrundlagen unter Druck
In der Mongolei leben schätzungsweise
Millionen Nutztiere – ein Problem für Wildtiere wie die Saiga-Antilope.
Die mongolischen Nomad:innen und ihre Herden sind ebenso wie die Saigas auf die Wasserstellen angewiesen. Sie ziehen mit ihren Tieren im Rhythmus der Jahreszeiten durch das Land. Doch die hohe Zahl an Nutztieren in der Mongolei – schätzungsweise 65 Millionen – führt zu einer Übernutzung des Weidelandes. So verschlechtert sich die Qualität der Grasflächen, die auch die Saigas als Weidegründe nutzen. Zudem zertrampeln die Viehherden den Boden rund um den Quellaustritt, was den Untergrund verdichtet und in vielen Fällen zum Versiegen der Quellen führt. Fehlt das Wasser, verschwinden die Weideflächen. Das bringt sowohl Wildtiere wie die Saigas als auch Nutztiere gleichermassen in Bedrängnis.
Über die Hälfte des Weidelandes ist inzwischen übernutzt, und bis 2020 gingen 81 Quellen im Verbreitungsgebiet der Saigas verloren. Den Antilopen wird das zum Verhängnis: Sie können sich während der kurzen Sommer nicht mehr genügend mit Gras satt essen. Das macht sie in strengen Wintern besonders anfällig für Krankheiten und Kälte macht.
Krankheiten und Extremwetter
Durch die hohe Konzentration von Nutztieren um die noch bestehenden Quellen können sich ansteckende Krankheiten auch leichter auf Wildtiere übertragen. Anfang 2017 fielen Tausende Mongolische Saiga-Antilopen der Viruskrankheit «Pest der kleinen Wiederkäuer» zum Opfer, die vor allem von Schafen und Ziegen übertragen wird. In Kombination mit dem darauffolgenden extremen Winter kam es zu einem drastischen Rückgang des Bestands von rund 11’000 Tieren im Oktober 2016 auf etwa 3000 im Jahr 2018.
Wilderei
Die langen Hörner der männlichen Saigas werden in einigen Ländern in der traditionellen Medizin als vermeintliches Heilmittel eingesetzt. Vor allem in der Vergangenheit wurden die Tiere deshalb gewildert. Durch das gezielte Bejagen der männlichen Saigas geriet das Geschlechterverhältnis in einigen Populationen aus dem Gleichgewicht, was zu weniger Nachwuchs führte. Die Bedrohung durch Wilderei hat in der Mongolei in den letzten Jahren stark abgenommen – unter anderem dank den Bemühungen des WWF. Zwischen den Sommern 2023 und 2025 wurden keine Fälle von Wilderei registriert.
Infrastrukturausbau und Industrie
Wie andere Wildtiere auch leidet die Saiga-Antilope unter den menschlichen Eingriffen in ihren Lebensraum. Der Bergbau im Westen der Mongolei beansprucht grosse Mengen an Wasser. Der Strassenbau zerschneidet die Steppe. Solche Entwicklungen haben den Lebensraum der Saiga in den letzten Jahren weiter eingeschränkt.
100 geschützte Quellen für ein besseres Zusammenleben
«Wir sind dafür verantwortlich, unsere Umwelt zu schützen. Denn unser Trinkwasser, unsere Nahrung und alles, worauf wir angewiesen sind, stammt aus der Natur. Unsere eingezäunte Quelle beweist: Was wir schützen, erholt sich auch wieder.»
Der WWF engagiert sich in der Region Altai-Sajan für ein besser funktionierendes Miteinander von Nomad:innen und Wildtieren wie den Saigas. Das Projektgebiet in der westlichen Mongolei ist etwa so gross wie die Schweiz und erstreckt sich über das ganze Verbreitungsgebiet der Mongolischen Saiga.
Das Projekt setzt dort an, wo die Bedrohung für die Saigas am grössten ist: 100 der wertvollen Quellen werden in enger Zusammenarbeit mit den Hirt:innen und lokalen Gemeinschaften eingezäunt. Durch die Einzäunungen können sich der Boden und die Vegetation um die Quellen erholen und das Wasser wieder oberirdisch abfliessen. So wird auch das Weideland wieder üppiger.
Die Hirtenfamilien sind zusammen mit den Behörden für die Instandhaltung der Zäune verantwortlich – auch nach Projektende. Schutzbeauftragte führen zudem Patrouillen durch das Verbreitungsgebiet der Saiga durch, und sammeln dabei Daten zu ihren Beständen und zu erkrankten Wildtieren. Der enge Austausch mit dem WWF und den zuständigen Behörden ermöglicht dabei ein schnelles Einschreiten bei Wilderei oder Tierseuchen.
Unser Artenschutz-Experte René Kaspar erzählt uns in Episode 3 des Podcasts «Persönlich & Professionell», was der WWF im Projektgebiet in der Mongolei unternimmt, um die Saigas zu schützen (Zwischenfazit des Projektes von September 2024).
Junge Umweltschützer:innen und nachhaltige Viehwirtschaft
Im Projekt machen auch Kinder und Jugendliche von sogenannten «Öko-Clubs» aus lokalen Schulen freiwillig mit. Sie dürfen bei Abflussmessungen der Quellen mithelfen und halten dadurch die Fortschritte an den erneut fliessenden Bächen fest. Gemeinsam mit dem WWF bringen sie zudem Themen wie die nachhaltige Viehwirtschaft in ihre Gemeinden ein.
Der Dialog mit den Kindern, Jugendlichen und den Hirtenfamilien ist dabei besonders wichtig. Durch den Ausbau ihres Wissens und ein stärkeres Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen kann langfristig ein Wandel hin zu einer umweltverträglichen Viehwirtschaft angestossen werden. Dies schützt sowohl den Lebensraum der Saigas als auch die Lebensgrundlage der Nomad:innen.
Jugendliche aus den Öko-Clubs der lokalen Schulen helfen bei Abflussmessungen an den Wasserläufen mit. Die ersten Messungen an den eingezäunten Quellen zeigen, dass wieder deutlich mehr Wasser fliesst als vor der Einzäunung.
Die Rückkehr der Saigas
Die Schutzmassnahmen zeigen Wirkung: Rund um die eingezäunten Quellen wächst die Vegetation wieder, sodass die Umgebung wieder als Trink- und Futterstelle für Saigas und andere Wildtiere dient. Das Verbreitungsgebiet der Saiga-Antilopen hat sich wieder ausgedehnt, und ihr Bestand erholt sich. Im Jahr 2024 ist die Zahl der Tiere auf über 20'000 angewachsen – eine vielversprechende Entwicklung. Auch die Nomad:innen haben den Mehrwert der Einzäunungen erkannt: Ihre Nutztiere können die Weideflächen ebenfalls wieder nutzen – eine Win-win-Situation für Mensch, Nutz- und Wildtier.
Was Sie tun können
Mit Ihrer Mitgliedschaft oder Patenschaft leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt in Ostasien und auf der ganzen Welt. Gemeinsam mit Ihnen engagieren wir uns für den Schutz der Lebensgrundlage von Tier und Mensch. Vielen Dank für Ihre wertvolle Unterstützung!