©
©
Meeresschildkröte beim Great Barrier Riff, Australien
Zurück
21. Februar 2021

Die Weltreise einer Meeresschildkröte

37'000 Kilometer weit ist Yoshi geschwommen. Meeresforscher und Biologinnen konnten sie dank eines Senders begleiten. Erfahren Sie mehr über diese wundersame Reise und ihre Bedeutung für den Meeresschutz.

Schildkröten haben im Laufe der Geschichte so einiges überstanden: Meteoriteneinschläge, Naturkatastrophen und Eiszeiten. Wie stark und anpassungsfähig die Reptilien sind, zeigt die Geschichte einer Meeresschildkröte, der Fischer den Namen Yoshi gegeben haben. Yoshi ging – nachdem eine Strömung sie wohl über den Indischen Ozean transportiert hatte – Seeleuten aus Japan ins Netz. «Sie hielten sie in einem kleinen Planschbecken an Bord und fütterten sie mit Sardinen», erinnert sich Maryke Musson, die das Two Oceans Aquarium in Südafrika leitet. Dorthin brachten die Fischer die kleine Schildkröte, als sie im Hafen von Kapstadt einliefen. Yoshi war damals gerade zwei Kilo schwer. Das ist jetzt 23 Jahre her.

Kleine Schildkröte mit riesiger Persönlichkeit

«Sie war von Anfang an eine kleine Schildkröte mit einer riesigen Persönlichkeit», sagt Musson. Yoshi sei neugierig gewesen und habe keine Angst gezeigt. So wuchs sie dem Personal und auch den Besuchern des Aquariums schnell ans Herz. Grundsätzlich werden alle Arten von Meeresschildkröten als gefährdet eingestuft. Nur ein oder zwei von tausend Jungtieren überleben tatsächlich bis zur Reife, die zwischen 17 und 30 Jahren eintritt. Insgesamt können die Tiere bis zu 80 Jahre oder sogar älter werden. Indem Yoshi 20 Jahre im Aquarium von Kapstadt lebte, hatte sie die riskantesten Lebensjahre für eine Meeresschildkröte in Sicherheit überstanden. «Dank unserer Erfahrung mit Yoshi konnten wir viele weitere Meeresschildkröten vor dem Tod bewahren», erzählt Musson. In zehn Jahren retteten sie und ihr Team mehr als 600 Meeresschildkröten, pflegten sie gesund und entliessen sie später wieder in die Wildnis.

18-monatiges Trainingsprogramm

Vor gut drei Jahren war schliesslich auch für Yoshi die Zeit gekommen, sich in Freiheit zu bewähren. Yoshi war zu einer stattlichen Schildkröte herangewachsen. Sie wog 183 Kilo und hatte ein 18 monatiges Trainingsprogramm hinter sich. Das Team des Aquariums ermunterte Yoshi, zwischen Taucherinnen und Tauchern hin- und herzuschwimmen. Am Ende der Strecke fütterten sie die Schilkröte. «Da wussten wir, dass Yoshi für sich selbst sorgen kann», sagt Musson. «Sie war schon immer gut darin, Nahrung zu finden.» So startete Yoshi nach einer grossen Abschiedsparty etwa 20 Seemeilen vor der Küste in Südafrika mit einem Satelliten-Sender auf dem Rücken in ihr neues Leben. Zunächst schwamm die Meeresschildkröte die Westküste Afrikas entlang bis nach Angola und kehrte nach etwa zwölf Monaten wieder zurück nach Kapstadt. «Wir hatten immer noch keine Ahnung, wohin sie wirklich wollte», sagt Musson. «Weibliche Meeresschildkröten kehren zum Nisten immer zu ihren Geburtsstränden zurück. Wir fragten uns also, ob sie uns an ihren Geburtsort führen würde.»

©
Yoshi

Endlich wieder im Meer: Yoshi wird freigelassen.

Ozean in gerader Linie überquert

Zu aller Überraschung entschied sich Yoshi, genau dies zu tun, und machte sich daran, den Indischen Ozean zu überqueren. Durchschnittlich legte sie 42 Kilometer pro Tag zurück und erreichte im Februar 2020 schliesslich die Gewässer vor Australien. Die Expertinnen und Experten sind vor allem von der Tatsache begeistert, dass Yoshi den Indischen Ozean ohne Umwege in einer geraden Linie überquert hat, so als wüsste sie genau, wo sie hinwollte. In Westaustralien landete Yoshi direkt in einem Nistgebiet für Meeresschildkröten ihrer Art – den Unechten Karettschildkröten. «Wir haben bisher keine genetische Untersuchung gemacht», sagt Sabrina Fossette, eine Meeresbiologin am Department of Biodiversity, Conservation and Attractions in Westaustralien. Denn bislang hat man die Schildkröte noch nicht gefunden, obwohl man das Ping des Satelliten-Senders hören kann. «Die Wahrscheinlichkeit ist aber gross, dass sie in Australien geboren wurde und nun zurückgekehrt ist.» Die australischen Wissenschaftler glauben, dass Yoshi nun dauerhaft in Australien bleiben und dort in den kommenden Jahren auch selbst brüten wird. Im australischen Winter im Juni und Juli tummelte sich Yoshi weiterhin in Westaustralien. «Es scheint, als würde die inzwischen berühmte Meeresschildkröte ein bisschen Urlaub machen und das warme Wasser am Strand Eighty Mile in Westaustralien geniessen», schreibt Maryke Musson in einer E-Mail. Yoshi hat sich wochenlang in der Region aufgehalten.

Ein wichtiger Lebensraum

Der Eighty Mile Beach ist der längste ununterbrochene Strand Westaustraliens, ein Lebensraum von internationaler Bedeutung. Tausende Zugvögel kommen hier während ihrer jährlichen Wanderung vorbei. Der Eighty Mile Beach Marine Park ist zudem ein wichtiger Nistplatz für Meeresschildkröten. Es gibt verschiedene Ökosysteme wie Mangroven, Wattenmeer, Seegraswiesen und Korallenriffe, in denen auch andere Meerestiere wie Dugongs, Delfine und Sägefische eine Heimat gefunden haben. «Dieses Gebiet ist sicher und abgelegen, hat eine Wassertemperatur von 24 Grad Celsius und bietet den Meerestieren viel Nahrung», sagt Musson. «Auf jeden Fall ein perfekter Ort, um sich nach einer langen Reise zu erholen.»

Text von Barbara Barkhausen, WWF-Magazin 4/2020

Was Sie tun können

Helfen Sie mit, den Lebensraum von Yoshi zu bewahren und werden Sie Meerespate. Oder bereiten Sie Ihren Kindern eine Freude und bestellen Sie kostenlos einen Meeresschildkröten-Bastelbogen.

©
Blauwal

Meeres-Patenschaft

Als Pate unterstützen Sie den WWF langfristig dabei, die faszinierende Unterwasserwelt unserer Meere zu erhalten.

©
Bastelbogen

Meeresschildkröten basteln!

Bestellen Sie jetzt kostenlos unseren Bastelbogen und basteln Sie mit Ihrem Kind eine eigene Schildkröte! Alles, was Sie dafür benötigen, sind Schere und Leim.