Meeresschildkröten – Urtiere in unseren Ozeanen
Majestätisch, uralt und geheimnisvoll
Auf ihren Reisen durch die Ozeane legen Meeresschildkröten tausende Kilometer zurück. Wie sie dabei navigieren, ist weitgehend unbekannt. Noch vor 200 Jahren bevölkerten Millionen die Ozeane. Auch heute noch kommen sie weltweit in allen tropischen und subtropischen Meeren vor, aber ihre Bestände sind in den letzten 100 Jahren dramatisch gesunken.
Meeresschildkröten sind die ältesten noch lebenden Reptilien. Sie bewohnen seit 225 Millionen Jahren die Weltmeere und haben sich seitdem physisch kaum verändert. Von den heute noch existierenden sieben Arten ist die Lederschildkröte, die eine eigene Art bildet, die grösste. Sie hat eine Panzerlänge von bis zu zwei Metern und wiegt durchschnittlich 500 Kilogramm. Bastardschildkröten sind mit 70 Zentimetern Länge und 50 Kilogramm Gewicht die kleinste Art.
Die Urtiere verbringen ihr ganzes Leben als Einzelgänger im Meer. Einzig zur Paarung finden sie zusammen. Die Weibchen kommen alle zwei bis drei Jahre für die Eiablage an Land. Manche durchqueren ganze Ozeane dafür. Ihr Ziel ist stets das gleiche: der Strand, an dem sie selbst geschlüpft sind. Dort legen sie je nach Art 50 bis 200 Eier in eine Sandgrube, oft bis zu drei Mal während einer einzelnen Nistsaison. Plündern Menschen oder Tiere die Nester nicht, schlüpfen die Jungen nach knapp zwei Monaten und begeben sich auf die beschwerliche Reise ins Wasser. Sie sind dabei leichte Beute für hungrige Vögel oder Krabben. Einmal im Meer angekommen, stellen den kleinen Schwimmern Raubfische nach. So entwickelt sich von 1000 Eiern nur durchschnittlich eines zu einer ausgewachsenen Meeresschildkröte.
Das Bild tausender Schlüpflinge wird jedoch immer seltener. Wo früher hunderte Weibchen zur Eiablage an einen Strand kamen, sind es heute oftmals nur noch wenige. Die Verbauung von Stränden, Klimawandel und die Verschmutzung der Meere bedrohen den Fortbestand der Meeresschildkröten. Die steigende Nachfrage nach Schildkrötenfleisch und -eiern sowie Schildpatt lässt die Bestände zusätzlich schrumpfen. Die grösste Gefahr geht jedoch von der kommerziellen Fischerei aus. Meeresschildkröten enden als Beifang in den Netzen der Industriefischerei. So sind heute sechs der sieben Arten von der IUCN auf der Roten Liste der bedrohten Arten geführt.
Begehrt, gejagt, bedroht
Heute werden sechs von sieben Arten von der IUCN auf der Roten Liste geführt und sind durch das Washingtoner Artenschutzabkommen Cites vom kommerziellen internationalen Handel ausgeschlossen. Trotzdem hat die Nachfrage nach Fleisch, Eiern und Panzern nicht abgenommen. Viele Populationen stehen kurz vor der Ausrottung.
Beifang
Rund 250'000 Meeresschildkröten jährlich verfangen sich allein in den USA in Schleppnetzen. Sie sind Beifang. Die kommerzielle Fischerei hat kein Interesse an ihnen. Mehr als die Hälfte der gefangenen Meeresschildkröten ertrinken in den Netzen, weil sie nicht zum Atmen auftauchen können. Viele beissen sich auch an Langleinen fest und sterben so einen qualvollen Tod.
Wilderei und Handel
Fleisch und Eier von Meeresschildkröten gelten vielerorts als Delikatesse. Besonders auf den pazifischen Inseln, im Mittelamerika und in afrikanischen Gewässern und an Stränden sind die Tiere nicht sicher. Allein in Madagaskar sterben jährlich zwischen 10'000 und 16'000 Meeresschildkröten durch gezielte Jagd.
Speziell in China steigt zudem die Nachfrage nach Meeresschildkröten für die traditionelle Medizin. Schildpatt wird in Japan und Taiwan für Kunstgegenstände und Schmuck genutzt. Auch dort ist die gezielte Jagd auf Schildkröten weit verbreitet. Neuere Schätzungen gehen davon aus, dass trotz verbessertem Schutz weltweit, vor allem in der weiteren Karibikregion und im indopazifischen Raum, jährlich mehr als 42‘000 Meeresschildkröten gefischt werden, davon über 80 Prozent Grüne Meeresschildkröten. Wenn auch der Handel verboten ist, so ist der Fang der Reptilien in vielen Ländern erlaubt.
Tourismus und Plastik
Die Brutgebiete werden vielerorts unkontrolliert bebaut und touristisch entwickelt. Wasserverschmutzung und touristische Nutzung führen zudem zur Zerstörung von Nahrungsgründen wie Korallenriffen oder Seegraswiesen.
Immer häufiger werden den Meeresschildkröten im Meer treibende Plastiktüten zum Verhängnis. Sie können Plastikfetzen nicht von Quallen unterscheiden, die zu ihren Beutetieren gehören. Der unverdaubare Kunststoff sammelt sich im Magen und Darm an und kann für die Meeresschildkröten tödlich sein.
Klimawandel
Durch den Klimawandel steigen die Meeresspiegel. Auch das macht den Schildkröten zu schaffen. Strände werden schmaler und werden längerfristig verschwinden. So finden die Tiere nicht mehr zurück zu ihren Brutstätten und können sich nicht fortpflanzen.
Steigende Temperaturen bringen ausserdem das Geschlechtergefüge durcheinander. Das Geschlecht bildet sich bei Meeresschildkröten abhängig von der Sandtemperatur aus. Bei wärmeren Temperaturen in den Nestern entwickeln sich eher Weibchen, bei kälteren Männchen.
Wirksamer Schutz
Auch wenn die Situation für die Meeresschildkröten dramatisch anmutet, gibt es Hoffnung. Laut IUCN zeigen die Schutzmassnahmen Wirkung. Die Bestände der Karettschildkröte haben sich beispielsweise in manchen Regionen stabilisiert und wachsen wieder. Dazu beigetragen haben Schutzgebiete, internationale Regelungen für die Vermeidung von Beifang in der Fischerei und Sensibilisierung in den betroffenen Gebieten.
Meeresschildkröten brauchen Schutz über alle Entwicklungsstufen – vom Ei bis zum erwachsenen Tier. Dafür braucht es zum einen Schutzgebiete mit Nistplätzen und Nahrungsgründen. Zum anderen schützen wir ausgewachsene Meeresschildkröten auf ihren weiten Wegen durch die Ozeane, indem wir uns für internationale Abkommen und nationale Fischerei- und Meeresschutz-Gesetze stark machen. Mit der Hilfe von Traffic, dem gemeinsamen Artenschutzprogramm von WWF und IUCN, kämpfen wir zudem gegen den illegalen Handel mit Schildkrötenfleisch, -panzern und -eiern.
Seit über 15 Jahren engagieren wir uns im Korallendreieck, der Heimat von sechs der sieben Meeresschildkröten-Arten. In Malaysia unterstützen wir beispielsweise die lokale Bevölkerung dabei, ihre Ressourcen selber zu verwalten und nachhaltig zu nutzen, so dass der Raubbau an der Natur gestoppt wird. Zudem setzen wir auf alternative Einkommensquellen für lokale Fischer, was den Druck auf die Fischbestände reduziert.
Um Meeresschildkröten und andere Tiere vor der Gefahr zu schützen, als Beifang qualvoll zu sterben, setzen wir uns für Massnahmen wie Schildkrötenklappen auf Fangschiffen, Netze mit Notausgang und runde statt J-förmige Haken an Langleinen ein.
WWF-Engagement für die Meeresschildkröten
Seit seiner Gründung hat der WWF weltweit zahlreiche Projekte zum Schutz der Meeresschildkröten verwirklicht und unterstützt. Wir setzen uns für die Erhaltung der fünf am meisten bedrohten Arten ein. Unser Ziel ist es, dass sich bis 2020 die Bestände der weltweit wichtigsten Populationen erholen oder stabilisieren.
Was Sie tun können
Damit wir uns weiter für den Lebensraum der Meeresschildkröten engagieren können, sind wir auf Unterstützung angewiesen. Helfen Sie den uralten und verletzlichen Meeresbewohnern, indem Sie für die Meeresschildkröte spenden oder eine Patenschaft für die Meere übernehmen. Informieren Sie sich vor Ihren nächsten Ferien zudem über nachhaltige Souvenirs.