Bartgeier – König der Alpen
Eindrucksvoller Aasfresser
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie wandern in den Alpen und über Sie hinweg fliegt ein Bartgeier mit einem Schaf in den Fängen. Die Vorstellung vom Bartgeier als sogenannter «Lämmerdieb» war früher weit verbreitet – doch ist sie grundlegend falsch.
Schon die Brutzeit der Bartgeier ist auf den Speiseplan ausgerichtet: Die Küken schlüpfen gegen Ende des Winters gerade dann, wenn viele Tiere verenden. In den ersten Wochen sind sie auf frisches Muskelfleisch angewiesen und werden von ihren Eltern damit versorgt. Bereits nach einigen Wochen steigen sie aber auf ihre Hauptnahrung um: Knochen. Was makaber erscheint erfüllt einen wichtigen Zweck für die Lebensräume des Bartgeiers: Seine Ernährungsgewohnheiten helfen, die Alpen sauber zu halten und die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern.
Da der Bartgeier seine Beute mit den Augen sucht, fliegt er meist tief. Zur Polsterung seines Horsts greift er auf Felle toter Tiere zurück. Transportiert er diese im Tiefflug zu seinem Nest, kann durchaus der Eindruck entstehen, dass dieser Vogel Tiere von der Weide weg raubt. Diese Legende hat in vergangenen Jahrhunderten zu intensiver Jagd auf den Aasfresser geführt, zumal der grosse Vogel auch als Jagdtrophäe sehr beliebt war. Im gleichen Zeitraum wurden die wilden Huftiere ausgerottet. Dies alles hat schliesslich zum Verschwinden des Bartgeiers aus dem Alpenraum geführt.
Mit Unterstützung des WWF ist es der Stiftung Pro Bartgeier und ihren Mitstreitern über 30 Jahre gelungen, den Bartgeier wieder in die Schweizer Alpen und andere Länder zurückzubringen. 2015 flogen etwa 212 Bartgeier im Alpenraum zwischen Österreich, der Schweiz, Italien und Frankreich. Viele der wildlebenden Greifvögel haben bereits erfolgreich gebrütet. Aktuell zählt man pro Jahr 15 bis 19 Freilandgeburten.
Als Kinderräuber verschrien
Missverständnisse und das Verschwinden seiner Nahrungsgrundlage haben dazu geführt, dass der Bartgeier in den Alpen ausgestorben ist.
Zu Unrecht verdächtigt
Der Bartgeier hat keine Scheu gegenüber Wild- und Hauswiederkäuern. Findet er Fellreste toter Tiere, trägt er sie in seinen Horst, um sein Heim damit zu polstern. Diese Indizien führten zu seinem Ruf als Tier- und Kinderräuber. Dieses scheinbar schädliche Tier bekämpften die Menschen mit Fallen, Giftködern, Aushorstungen – also dem Raub der Jungtiere aus dem Nest – und gezieltem Abschuss.
Das erste Jagdgesetz
Das erste Jagdgesetz von 1875 klassifizierte den Bartgeier als schädliche Art. Die Jagd auf ihn wurde vom Staat mit Prämien belohnt. Dazu kam, dass die Ausrottung wilder Huftiere den Bartgeier um seine Nahrung brachte.
Langsame Fortpflanzung
Erst mit 5 bis 7 Jahren werden Bartgeier geschlechtsreif. Die erste erfolgreiche Brut gelingt aber meist erst im Alter von 8 bis 9 Jahren. Obwohl Bartgeier zwei Eier legen, überlebt in den allermeisten Fällen nur ein Jungtier. Meist tötet das erstgeborene Tier das zweitgeborene. Dieses Phänomen nennt sich «Kainismus» – in Anlehnung an den biblischen Brudermord. Der Zweck: Das zweite Ei ist eine Art Reserve – falls das erste Ei nicht befruchtet ist, abstirbt oder nicht überlebt.
Der Bartgeier ist wieder da
Als Aasfresser reinigt der Bartgeier seine Lebensräume von potentiellen Krankheitserregern. In dieser Funktion ist seine Rückkehr in die Alpen ein Erfolg für Mensch und Natur.
1978 gründete der WWF gemeinsam mit weiteren Partnern das Projekt zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen. Das Projekt ist ein Erfolg: Über 200 Bartgeier konnten in den Alpen wiederangesiedelt werden. Viele der Greifvögel haben bereits erfolgreich Nachwuchs in der Freiheit bekommen. Aktuell gibt es jährlich 15 bis 19 Freilandgeburten.
Um mehr über die Lebensweise und die langen Wanderflüge der Segler zu erfahren, wurden Jungtiere mit kleinen Satellitensendern ausgestattet. So sammeln Wissenschaftler Daten über die täglich bis zu 700 Kilometer langen Flugrouten der Tiere. Die Erkenntnisse helfen, die noch fragile Population der Bartgeier zu unterstützen.
Symbol für unverfälschte Natur
Wir unterstützen die Stiftung Pro Bartgeier zur Wiederansiedlung des Bartgeiers in den Alpen finanziell und strategisch. Das Projekt besteht aus den drei Bereichen Zucht, Freilassung sowie Überwachung und Öffentlichkeitsarbeit.
Was Sie tun können
Erfahren Sie mehr über die eindrucksvollen Bartgeier und nehmen Sie als Zuschauer an einer Bartgeier-Freilassung der Stiftung Pro Bartgeier teil. Oder setzen Sie sich für den Lebensraum der Bartgeier ein - entweder mit einer direkten Spende oder aktiv bei einem Freiwilligen-Einsatz.