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Meeresschildkröte beim Great Barrier Riff, Australien
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24. November 2017

Meer der Hoffnung

Unsere Ozeane sind unersetzlich. Sie bilden die Lebensgrundlage für Milliarden von Menschen. Heute sind die reichhaltigen Schatzkammern der Natur bedroht.  Eine multimediale Reise rund um die Welt führt Sie zu den grossartigen Schauplätzen, an denen sich der WWF aktiv für den Meeresschutz stark macht.

Aus dem WWF-Magazin. Von Barbara Barkhausen, Corina Gyssler, Stefan Inderbitzin, Martina Lippuner und Nanda Moghe

«Der Tun-Mustapha-Park ist ein weltweit einzigartiges Beispiel dafür, wie wir gleichzeitig der Natur und den Menschen dienen können»

«Noch heute erinnere mich an ein Gefühl des Einsseins, als ich auf der Oberfläche schwamm und auf die lebendigen Farben von Korallen und Fischen blickte», beschreibt Dionysius Sharma, CEO des WWF Malaysia, sein ganz persönliches Erlebnis im grössten Meeresschutzgebiet Malaysias. Der Tun-Mustapha-Park wurde 2016 offiziell geschaffen, vor allem auch dank der Arbeit des WWF. 13 Jahre hat es gedauert, unzählige Verhandlungen und strategische Planungen sind der Errichtung vorausgegangen.

Das knapp eine Million Hektaren grosse Areal an der nördlichen Spitze Borneos umfasst 50 Inseln. Das bedeutende Naturparadies im Korallendreieck ist das Zuhause von 360 Fischarten sowie den gefährdeten Grünen Meeresschildkröten und Seekühen. Obwohl der Park  dem Schutz von Korallen und Tierwelt dient, bleibt der Mensch nicht aussen vor. In bestimmten Zonen ist die Fischerei gänzlich verboten, in anderen dürfen Einheimische weiterhin fischen. Diese Gebiete haben sie selbst zusammen mit der Parkleitung und Umweltschutzorganisationen wie dem WWF definiert. Lokale Ranger unterstützen die staatlichen Behörden: Sie überwachen vor Ort, dass sich alle an die Vereinbarungen halten. «Der Tun-Mustapha-Park ist ein weltweit einzigartiges Beispiel dafür, wie wir gleichzeitig der Natur und den Menschen dienen können», sagt Dionysius Sharma.

Der Meerespark ist nur ein Projekt unter vielen, die der WWF gemeinsam mit lokalen und internationalen Partnern und Menschen für das Meer realisiert. Dieses Engagement ist wichtig. Denn so riesig uns das unendliche Blau vorkommen mag, die Ozeane kommen heute an ihre Grenzen. Eine Reise rund um die Welt führt uns zu den grossartigen Schauplätzen, an denen sich der WWF aktiv für den Meeresschutz stark macht.

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Tip of Borneo in Tun Mustapha Park.
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Ein Einwohner zeigt seine Fischerei-Beute, Tun Mustapha Park

Fischen mit traditionellen und schonenden Methoden im Tun Mustapha Park

Gefährliche Kinderstube

Pro Minute pumpt das Herz des Blauwals 5000 Liter Blut durch den bis zu 30 Meter langen Körper des Tieres.

Sein Herz ist so gross wie ein VW Käfer. Pro Minute pumpt es 5000 Liter Blut durch den bis zu 30 Meter langen Körper. Der Blauwal ist das grösste Säugetier, das jemals auf der Erde gelebt hat. Seine Kinderstube befindet sich in Küstennähe, zum Beispiel in Chile: Das dortige Küstengebiet ist existentiell für die bedrohten Blauwal-Bestände. Hier ziehen die Wale ihre Jungen auf und fressen sich die nötigen Fettreserven für die grossen Wanderungen an. Emma Plotnek vom WWF Chile erzählt: «Die Wale halten sich gerne im inneren Meergewässer und in den engen Fjorden auf. Dort überlappen sich ihre Gebiete mit jenen der Lachszuchten.» Umweltschäden durch die Zuchten, beispielsweise starke Wasserverschmutzung mit Kot, müssen daher unbedingt vermieden werden.

Chile gehört zu den grössten Lachsproduzenten der Welt. Seit 2011 engagiert sich der WWF dafür, dass sich chilenische Zuchtbetriebe nach dem Aquaculture Stewardship Council (ASC) zertifizieren lassen – einem Mindeststandard für  umweltverträgliche Zuchten. Mit Erfolg: 44 Fischzuchten tragen inzwischen das Label. Das entspricht etwa einem Anteil von 13 Prozent an Chiles Lachsproduktion. Ausserdem haben sich amerikanische, japanische und brasilianische Einkäufer dazu verpflichtet, Restaurants und Detailhandel mit ASC- Lachs aus Chile zu beliefern. Zudem wurde 2014 mit dem Tic-Toc-Meerespark ein Gebiet von 87'500 Hektaren Fläche unter Schutz gestellt, das den Blauwalen als wichtiger Rückzugsort dient. Damit gibt es für die Wale vor der Küste Chiles wieder Hoffnung.

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Pygmy blue whale (Balaenoptera musculus brevicauda) subspecies of blue whale, Mirissa, Sri Lanka, Indian Ocean. Endangered species.

Ein Herz, so gross wie ein VW Käfer - der Blauwal ist das grösste Säugetier

Algen in unserer Zahnpasta

«Seit ich Algen züchte, habe ich ein stabiles Einkommen. So kann ich es mir leisten, alle meine vier Kinder zur Schule zu schicken.»

Auf nach Madagaskar: Das Toliara-Barrier-Riff im Süden der Insel ist überfischt, die Fischer fangen dort immer weniger Fische. Seit rund zwei Jahrzehnten setzt sich der WWF Madagaskar dafür ein, dass die Küstenbewohner ein nachhaltiges Einkommen haben und das Riff nicht mehr überfischen. Doch keine der alternativen Einkommensquellen war so erfolgreich wie die 2014 begonnene Algenzucht. 152 Dorfbewohner züchten mittlerweile Rotalgen an 20 Meter langen Leinen im seichten Teil ihrer Bucht. Meist sind Frauen zuständig für die Algenfelder, und das hat ihnen neues Selbstvertrauen gegeben. «Seit ich Algen züchte, habe ich ein stabiles Einkommen und verdiene 110'000 Ariary pro Monat. So kann ich es mir leisten, alle meine vier Kinder zur Schule zu schicken», sagt Nadia, eine der Algenzüchterinnen. 110'000 Ariary entsprechen etwa 38 Franken.

Die getrockneten Algen werden von einem Privatunternehmen eingesammelt und exportiert. Ein gelierender Inhaltsstoff der gezüchteten Algen wird im Ausland für Zahnpasta und Shampoo verwendet. Bereits wollen weitere Dörfer mitmachen und vom WWF in der Algenzucht ausgebildet werden. Die Überfischung wird so reduziert.

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Algenproduktion in Madagaskar
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Algenproduktion in Madagaskar

Dorfbewohner züchten Rotalgen an 20 Meter langen Leinen im seichten Teil ihrer Bucht

Souvenirs aus Abfall

«Mit dem Projekt können wir Plastik aus der Guanabara-Bucht entfernen und den Menschen in den Favelas ein Einkommen verschaffen»

Lokaltermin in Rio: Plastik ist auch an Brasiliens Küste ein grosses Problem. Es baut sich nur langsam ab und gelangt in Mägen von Walen, Delfinen, Robben, Möwen und Meeresschildkröten. Die Tiere ersticken oft an PET-Flaschen, oder sie können nichts mehr fressen, weil Plastikteile im Hals hängen bleiben.

Der WWF Brasilien hat deshalb an den Olympischen Spielen 2016 in Rio ein Pilotprojekt lanciert: Er baute nachholländischem Vorbild (preciousplastic.com) die mobile Recycling-Maschine Remolda. Darin werden Plastikabfälle eingeschmolzen, die Slumbewohner gesammelt haben. Aus der flüssigen Masse giessen sie kleine Souvenirs wie Christo-Figuren, die sie an Touristen verkaufen. «Mit dem Projekt können wir Plastik aus der Guanabara-Bucht entfernen und den Menschen in den Favelas ein Einkommen verschaffen», sagt Anna Carolina Lobo vom WWF Brasilien. Die Ironie der symbolischen Aktion: Touristen kaufen so ihren eigenen Abfall in Form von Souvenirs zurück.

Pilotprojekt in Brasilien: eine mobile Recycling-Maschine

Handarbeit für den Thunfisch

6000 philippinische Fischer mit 2200 Fangbooten fangen Thunfisch bereits auf schonende Weise.

Szenenwechsel: Es herrscht noch schwarze Nacht, wenn die philippinischen Fischer in Holzbooten zum Fang hinausfahren. Sie lassen Handleinen mit Haken und Ködern ins Meer hinunter. Für den Fang von Gelbflossen-Thunfisch setzen sie spezielle  Rundhaken ein. Es gibt so kaum Beifang, und die Haken verletzen andere Meerestiere wie Schildkröten nicht. Die Fischer ziehen jeden Thunfisch einzeln aus dem Wasser. Drei bis fünf Tiere sind es pro Fischer und Tag. Kleine Fische unter 20 Kilo bleiben im Meer, denn es könnten Jungfische sein, die noch nicht gelaicht haben.

Ziel dieses WWF-Projekts ist es, dass die Fischer in der Region die MSC-Zertifizierung für umweltverträgliche Fischerei erhalten. Die langjährigen Firmenpartner Coop und Bell sowie die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft unterstützen das Projekt. In der Region Bicol und Mindoro fangen bereits 6000 philippinische Fischer mit 2200 Fangbooten den Thunfisch auf diese schonende Weise. Dank der geplanten Zertifizierung, der Handleinenfischerei und geregelten Fangquoten sollen sich so die Gelbflossen-Bestände in den Gewässern der Philippinen erholen.

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Gelbflossenthunfisch Schule
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Fischer trägt gefangenen Thunfisch an Land.

Ziel des WWF-Projekts ist es, dass die Fischer in der Region die MSC-Zertifizierung für umweltverträgliche Fischerei erhalten.

Letzte Chance für die Vaquitas

Am Golf von Kalifornien vor der Küste Mexikos leben noch knapp 30 Vaquitas

Am Golf von Kalifornien vor der Küste Mexikos leben noch knapp 30 Vaquitas — oder Kalifornische Schweinswale, wie man sie auch nennt. Für den kleinsten Meeressäuger der Erde geht's ums Überleben: Seit 2011 hat die rücksichtslose Fischerei diese seltene Walart um 90 Prozent dezimiert. Mit Stellnetzen fangen Fischer Garnelen und Fische wie den Totoaba. Die riesigen Netze – oft als gefährliche Geisternetze zurückgelassen – bilden für die Vaquitas eine unsichtbare Wand, in der sie sich verfangen und als nutzloser Beifang ersticken.

Seit über 13 Jahren engagiert sich der WWF für das Überleben der letzten Vaquitas. Zusammen mit anderen Organisationen sammelt er Geisternetze ein und entwickelt für Vaquitas ungefährliche Fischereigeräte. Im Juni hat Mexiko auf Druck des WWF und seinen Partnern ein permanentes Stellnetzverbot erlassen. «Dies ist ein grosser und ermutigender Schritt auf dem Weg, die Vaquitas zu schützen», sagt Jorge Richards, CEO des WWF Mexiko. Doch der Kampf für die letzten Kalifornischen Schweinswale ist noch längst nicht gewonnen.

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Vaquita

Für den kleinsten Meeressäuger der Erde geht es ums Überleben: Seit 2011 hat die rücksichtslose Fischerei diese seltene Walart um 90 Prozent dezimiert.

Eine von tausend überlebt

«Es braucht die ganze Gemeinschaft, um die Schildkröten zu schützen»

An der afrikanischen Küste in Kenia leben Meeresschildkröten. Sie gehören zu den am meisten bedrohten Tierarten überhaupt. Zwar legen Weibchen an Küsten Hunderte von Eiern in Sandnestern ab, doch im Schnitt überlebt nur eine von tausend geschlüpften Meeresschildkröten. Vereinzelt plündern Menschen die Nester aus, oder Raubvögel fallen über die frisch geschlüpften Schildkröten her, die auf dem Weg ins Meer sind. Dort warten bereits die Raubfische auf sie. Und später verenden Meeresschildkröten oft als Beifang in Fischernetzen.

Hier setzt ein Projekt des WWF Kenia an, mit dem die Bewohner der Küsten für den Schutz der Schildkröten sensibilisiert werden. «In Afrika sagen wir, dass es ein ganzes Dorf braucht, um einen Menschen zu erziehen. Bei den Schildkröten ist es das Gleiche. Es braucht die ganze Gemeinschaft, um die Schildkröten zu schützen», sagt Mike Izava Olendo vom WWF Kenia. Deshalb besucht der WWF-Experte Schulen und fährt auch mit den Fischern aufs Meer hinaus. Mit Erfolg, denn sein Projekt hat ein Umdenken ausgelöst: «Wenn sich heute eine Schildkröte im Netz eines Fischers verfängt, befreien sie das Tier und lassen es wieder ins Wasser. Wir bezahlen die Reparatur der Netze», erzählt Mike Izava Olendo.

Mike Izava Olendo, WWF-Experte, besucht Schulen und fährt auch mit den Fischern aufs Meer hinaus.

Im Sterben

«Beim Great Barrier Reef starrt einem der Klimawandel direkt ins Gesicht»

Schauplatz Australien: Als der Journalist Rowan Jacobsen vor Monaten einen Nachruf auf das Great Barrier Reef verfasste, war die Aufregung gross. Nein, «tot» sei das Riff auf keinen Fall, bemühte sich die australische Regierung um Schadensbegrenzung. Wahr ist jedoch, dass das weltberühmte Riff leidet. «Beim Great Barrier Reef starrt einem der Klimawandel direkt ins Gesicht», sagt Richard Leck vom WWF Australien. Er berichtet, wie zwei Korallenbleichen und ein Zyklon in den vergangenen 18 Monaten
fast die Hälfte der Korallen getötet haben. Abwässer aus der Landwirtschaft und der gefrässige Dornenkronen-Seestern hatten viele Korallen geschwächt.

Der WWF kämpft seit 20 Jahren für den Erhalt des Weltnaturerbes: Die Behörden haben Schutzzonen geschaffen, die Wasserqualität am Riff verbessert, das Ausbaggern des Meeresbodens in den Häfen gestoppt und Netze entfernt. Dies half den Tieren des Riffs wie den Haien, Schildkröten und Seekühen. Aus diesen Erfolgen schöpft Richard Leck Hoffnung für die Zukunft des Riffs. Leck will jedoch noch mehr: Ihm geht es um den Klimawandel, den Australiens Regierung nicht genügend entschlossen bekämpfe.
«Jedes Land muss seinen fairen Beitrag leisten», fordert er. Der Erhalt des Great Barrier Reef sollte Grund genug sein. Das Riff ist Imageträger und wertvollstes Gut des Landes: Wirtschaftsexperten verglichen seinen Wert kürzlich mit dem von zwölf Sydney-Opernhäusern. Für die Natur ist das Riff unbezahlbar: Die fast 3000 Einzelriffe sind die Heimat von 1500 Fischarten und 400 Korallenarten.

Der WWF kämpft seit 20 Jahren für den Erhalt des Weltnaturerbes Great Barrier Reef

Unersetzlich

«Ein Meer hört immer irgendwo auf, aber da fängt es auch wieder an», schrieb einst die deutsche Lyrikerin Anke Maggauer-Kirsche. Vom Weltall aus betrachtet ist die Erde ein blauer Planet. Damit die Meere und ihre Bewohner eine Zukunft haben, braucht es besondere Anstrengungen. Sie sind nötig, denn das Meer ist nicht nur unendlich schön, es ist schlicht unersetzlich. Es bildet die Lebensgrundlage für Milliarden von Menschen in Küstengebieten. Deshalb lohnt es sich, die Ozeane zu schützen.

Dieser Artikel ist im WWF-Magazin 4/2017 erschienen. Videos zu den Projekten finden Sie hier.

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Luftaufnahme Hardy Riff. Teil des Great Barrier Riffs in Australien.

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Gruppe von Erdmännchen auf grüner Wiese

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Bonobo-Mutter küsst ihr Baby

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